In Colorado werden schon seit längerem Waffentrainings für Lehrer abgehalten, bald wird das auch für ihre Kollegen in Florida angeboten.

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Nein, nein, nein", twitterte Lauren Hogg, als die Entscheidung gefallen war. "Ich weigere mich, in einem Staat zur Schule zu gehen, der Lehrern Schusswaffen im Klassenzimmer erlaubt. Ich weiß nicht, ob ich noch länger in Florida leben kann." Ihr Bruder David spricht von einem Beschluss, dem jede Logik fehle und der die Sache nur schlimmer mache.

Emma González, das markanteste Gesicht der Schülerbewegung für strengere Waffengesetze, warnt die Politik davor, jeglichen Bezug zur Realität zu verlieren. "Hört auf die Leute, die es betrifft", schreibt sie auf Twitter. "Im Parlament haben sie keine Ahnung, was sie uns da gerade antun."

"March for our Lives"

Lauren Hogg, David Hogg, Emma González: Nach einem Blutbad im Februar 2018 an ihrer Schule, der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland, waren sie zusammen mit anderen in die Offensive gegangen, um strengere Waffengesetze zu fordern. Ihre anfangs spontanen Proteste gipfelten im "March for our Lives", der größten Kundgebung, die die Hauptstadt Washington im vergangenen Jahr erlebte.

Eine Zeitlang sah es so aus, als wären die Teenager drauf und dran, die bestens vernetzte Waffenlobby in die Schranken zu weisen. Im Weißen Haus wiederum reagierte Donald Trump auf das Parkland-Massaker, indem er einen Vorschlag jener Lobby, der National Rifle Association (NRA), zu seinem eigenen machte. Man müsse Lehrer bewaffnen, empfahl der Präsident, dann ließen sich solche Tragödien eher vermeiden, denn bewaffnete Pädagogen könnten eingreifen, bevor herbeigerufene Polizisten zur Stelle seien.

Querelen bei der NRA

15 Monate danach lässt das Bundesstaatenparlament Floridas sowohl die NRA als auch Trump triumphieren. Mit 65 zu 47 Stimmen entschied es, dass Lehrer Waffen im Klassenzimmer tragen dürfen, wenn es ihre lokale Schulverwaltung so will. Für die NRA ist das ein willkommener Erfolg, hat sie doch dieser Tage mit internen Querelen zu kämpfen, in denen sich verschiedene Gruppierungen einander unter anderem Misswirtschaft, persönliche Bereicherung, Steuerbetrug und sogar Erpressung vorwerfen.

Bereits nach dem Schock von Parkland hatte die Legislative dafür plädiert, Schulpersonal zu bewaffnen, etwa Hausmeister und eigens eingestellte Wachleute. Pädagogen allerdings blieben ausgenommen. Letzteres soll sich ändern: Auch Lehrkräfte dürfen fortan mit Gewehr oder Pistole zum Unterricht erscheinen, vorausgesetzt, sie haben zuvor einen 144-stündigen Kurs absolviert.

Neue Kräfte mobilisieren

Nun ist es an Ron De Santis, dem Gouverneur Floridas, die Novelle zu unterschreiben, damit sie Gesetzeskraft erlangt. De Santis ist Republikaner, das verbindet ihn mit der Mehrheit der Abgeordnetenkammer des "Sunshine State". Es grenzte an ein Wunder, würde er sein Veto einlegen. In der Quintessenz bedeutet dies, dass die NRA, der man zugetraut hatte, die Politik zu einer Richtungsänderung zu zwingen. Es bedeutet aber auch, dass die Schülerbewegung neue Kräfte mobilisiert.

Während David Hogg (19) über soziale Medien zu Protesten aufruft, hat seine 16 Jahre alte Schwester Lauren gemeinsam mit Ryan Deitsch, einem Absolventen ihrer High School, einen Gastkommentar für den Miami Herald verfasst, die führende Zeitung im Süden Floridas. Wer das Trauma der Gewalt in Parkland erlebt habe, werde täglich im Klassenzimmer daran erinnert, schreiben die beiden. "Wir können kein Gewehr sehen, ohne an die Person denken zu müssen, die am Valentinstag in dieses Gebäude stürmte und unser Leben für immer veränderte." Allein schon der Anblick bewaffneter Lehrer sei daher unzumutbar.

Überforderte Lehrer

Gregory Tony, neuernannter Sheriff im Broward County, dem Verwaltungsbezirk, in dem Parkland liegt, warnt davor, Lehrer auf fatale Weise zu überfordern. Wer sich für den Lehrberuf entscheide, sagt er, wolle Heranwachsenden Wissen vermitteln und nicht die Aufgaben eines Wachdiensts übernehmen. Dringe ein Angreifer ein, würden Stress und Angst Schüler wie Lehrer einem extremen Risiko aussetzen. Von Pädagogen mit derart angespannten Nerven dürfe man nicht erwarten, dass sie in einer solchen Situation das Richtige tun, mahnt er.

Noch plastischer hat es Paula Reed beschrieben, Englischlehrerin an der Columbine High School in Colorado, wo 1999 die bis heute nicht abreißende Serie von Amokläufen an amerikanischen Schulen begonnen hat. "Es gibt Leute, die glauben, ich würde mich mit einer Waffe deutlich sicherer fühlen. Aber schaut mich an!" Sie sei 1,57 Meter groß. Wenn ein über 1,80 Meter großer, zorniger junger Mann ihr den Revolver entreißen wolle, dürfte ihm dies wahrscheinlich gelingen.

Eine Waffe, so Reed, ändere nichts an ihrer Statur. "Dann wäre ich eine 1,57 Meter große Frau mittleren Alters mit womöglich getrübtem Einschätzungsvermögen – und einer Pistole." (Frank Herrmann aus Washington, 3.5.2019)