Mauthausen – Scharfe Kritik vor allem an der, auch heuer ausgeladenen, FPÖ kam bei diesjährigen Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen vom Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch. Bei der traditionellen Rede vor dem jüdischen Mahnmal warnte der IKG-Chef: "Was zu Mauthausen und den vielen anderen KZ geführt hat, existiert weiter: der Antisemitismus. Die Shoa sind nicht nur die Gaskammern, die Krematorien, die Massengräber – die Shoa war möglich, weil Menschen andere Menschen für unwert erklärt haben. Weil sie Vorurteile verbreitet haben, Hass wurde gesät." Die Entmenschlichung sei Schritt für Schritt erfolgt – "bis sechs Millionen Juden ermordet wurden."
Populisten sind keine Mörder
Die größten Pogrome in der Geschichte seien durch bloße Gerüchte ausgelöst", erinnerte Deutsch und zitierte Theodor Adorno: "Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden."
Solche Gerüchte würden heute nicht mehr nur von harmlosen Randerscheinung der Politik verbreitet werden. Deutsch: "Sondern es geschieht in Ungarn vom Premierminister, in Polen von Regierenden – und auch in Österreich sind es Spitzenvertreter einer Regierungspartei, die Verschwörungstheorien verbreiten."
Sie würden Hass säen und Hass töte. "Die Populisten sind keine Mörder, aber sie verstehen den Antisemitismus als politische Waffe", warnt Deutsch.
Blauer Schatten
Man dürfe nicht nur über damals reden, sondern über hier und jetzt: "Was bringen die roten Linien, wenn sie ständig übertreten werden und keine Konsequenzen folgen. Früher sagten sie Umvolkung, heute nennen sie es Bevölkerungsaustausch." In vielen politischen Parteien hätte es Antisemiten gegeben, alle hätten ihre Vergangenheit aber aufgearbeitet, Deutsch: "Nur eine Partei tut sich immer noch schwer: Diese Partei ist der blaue Schatten der Bundesregierung. Der Schatten verdunkelt die Erfolge von ÖVP und SPÖ." Es hätte, so der IKG-Präsident, Versuche innerhalb der FPÖ gegeben, aber: "Bislang ohne Erfolg. Die FPÖ hat die braune Kruste noch nicht durchbrochen."
Besonders pikant: Die mahnenden Worten von Oksar Deutsch lauschten auch Bundeskanzler Sebastian Kurz und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Kurz wollte auf STANDARD-Nachfrage, ob er für eine künftige Einladung der FPÖ bei den Gedenkfeierlichkeiten sei, nichts sagen: "Dazu gebe ich kein Interview."
Mehr als 9000 Gäste aus aller Welt
Insgesamt waren mehr als 9000 Gäste aus aller Welt bei der Gedenkfeier nach Mauthausen gekommen, um der Befreiung des Vernichtungslagers durch US-Truppen Anfang Mai 1945 zu gedenken.
Nach Ende der offiziellen Zeremonie zogen Zeitzeugen und Überlebende gemeinsam mit US-Soldaten aus dem Lager aus, um an die Geschehnisse zu erinnern. Die Veranstaltung in Mauthausen ist die weltweit größte KZ-Gedenk- und Befreiungsfeier. Sie stand heuer unter dem Titel "Niemals Nummer. Immer Mensch".
Eine der Überlebenden und Zeitzeugen vor Ort war Anna Hackl (88), deren Familie bei der sogenannten Mühlviertler Hasenjagd geflohenen KZ-Häftlingen unter Lebensgefahr Unterschlupf geboten hat. Anna Hackl, die damals 14 Jahre alt war, und heute Aufklärungsarbeit in Schulen betreibt, ist überzeugt: "Es gibt schon auch heute noch Leute, die helfen würden", auch in der Jugend. Dennoch mahnte sie im Gespräch mit der APA zur Wachsamkeit: "Manchmal denke ich mir schon: 'Hoppala'. Es heißt vorsichtig sein. Wenn man manche Sachen so hört, gruselt es mich schon."
Im KZ Mauthausen und seinen 49 Nebenlagern waren rund 200.000 Personen aus aller Welt interniert, mindestens 90.000 davon starben. Am 5. Mai 1945 wurde das KZ von US-Truppen befreit. (Markus Rohrhofer, APA, 5.5.2019)