Noch mehr als der letzte Schlagabtausch Ende März trägt der neue Gewaltausbruch zwischen Israel und dem Gazastreifen die Gefahr der ganz großen Eskalation in sich. Jeder Tote durch Raketenbeschuss in Israel schwächt den pragmatischen Wunsch der israelischen Politik, den vor der Tür stehenden Unabhängigkeitstag sowie den Song Contest in Tel Aviv nicht inmitten eines ausgewachsenen neuen Gazakriegs stattfinden zu lassen. Wieder einmal droht das Vabanquespiel von Hamas und Islamischem Jihad, dessen Opfer israelische Zivilisten, aber auch die eigene Bevölkerung sind, schiefzugehen.

Anders als das letzte Mal findet die Eskalation auch nicht trotz, sondern wegen der laufenden, ägyptisch geführten Verhandlungen zwischen Hamas und Israel statt. Die Umsetzung von Maßnahmen, die die verzweifelte Situation der Gaza-Bevölkerung lindern sollen, hat sich verzögert. Zur prinzipiellen Konfrontationsbereitschaft kommt bei der Hamas die Angst, dass ihr etwas Ähnliches passiert wie 2007 der Fatah: dass sie als Versager ausgebootet wird.

Momentan treibt der Islamische Jihad die Hamas vor sich her. Als Ende April die ersten Raketen zu fliegen begannen, schien Israel – was selten ist – noch bereit, diese noch radikalere Organisation und nicht die Hamas dafür in die Pflicht zu nehmen. Aber ein paar Tage später sprang die Hamas auf den Zug auf. Die israelische Antwort ist dementsprechend – und wo der Zug wieder hält, weiß niemand. (Gudrun Harrer, 5.5.2019)