Großer Bahnhof Seidenstraße: Die Dongfeng-Lok bringt einen Frachtzug mit 50 Containern von Wuhan aus auf den Weg nach Deutschland.

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Der Volksmund nennt sie "eiserne Kamelkarawanen". Er meint damit die 1000 Meter langen Frachtzüge mit angehängten 44 Container-Wagons. Zu Hunderten verkehren sie allwöchentlich zwischen China und Europa und sind zum Symbol für Pekings Belt and Road (BRI) genannten Neuen Seidenstraßen geworden. Das extrem schnell expandierende Güterbahnnetz nach Europa startete auf dazu modifizierten Strecken 2011 mit 17 Probefahrten. Bis Ende März 2019, so sagt stolz in Peking BRI-Direktor Xiao Weiming, seien 14.691 mal Containerzüge aus China über den euroasiatischen Landweg nach Europa hin und her gerollt. 6.383 Fahrten waren es allein im vergangenes Jahr.

62 chinesische Städte sind heute über drei Landbrücken, wo ihre Containerfracht von Chinas Normalspur auf Russlands Breitspur umgeladen wird, mit 51 europäischen Städten in 15 Ländern verbunden. Noch ist das einzigartige Bahnprojekt hoch subventioniert, bei dem anfangs die Züge voll nach Europa fuhren, aber nur halb beladen zurückkehrten.

Porsche fährt Bahn

Aber er beginnt sich zu rechnen. Neben Maschinen, Kleidung, Nahrungsmitteln und Weine bis zu Holz transportieren die Container europäische Fahrzeuge nach China. Jüngster Kunde ist etwa Porsche. Seit April lässt das Unternehmen zweimal in der Woche seine Sportwagen verladen. Bis zu 88 Fahrzeuge passen auf einen Zug. In 18 Tagen – drei Wochen schneller als per Seefracht – erreichen sie das 11.000 Kilometer entfernte Chongqing in Südwestchina, meldete Xinhua. Die Container-Auslastung erreichte erstmals 88 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres, sagte Xiao. "2018 stieg der so transportierte Warenwert zwischen Europa und China auf 33 Milliarden US-Dollar, 106 Prozent mehr als im Vorjahr."

Auch Österreich möchte vom boomenden "Güterumschlag auf den Korridoren der neuen Seidenstraßen" künftig profitieren, sagt Alexander Biach, Vize-Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Wien (WKO). Das sei einer der Gründe, warum die WKO am Rande des chinesischen Seidenstraßen-Gipfel und des Regierungsbesuchs von Kanzler Sebastian Kurz mit in die Hauptstadt kam. Sie trat dort vergangenen Freitag der Vereinigung der Wirtschaftskammern von sechs Weltstädten bei (den sogenannten Chamber 6), die alle an Chinas neuer Initiative teilhaben wollen. Wien empfand seine Aufnahme in den sich jährlich treffenden, illustren Klub der Hauptstadtkammern als Auszeichnung. Chamber 6 gehörten bislang Paris, London, Peking, Berlin, Moskau und Sao Paulo an.

"Im Hintertreffen"

Bei der Anbindung an das gigantische Infrastrukturprojekt der Seidenstraßen sei Wien aber im Hintertreffen, "sitzen wir noch immer auf der Zuschauertribüne," beklagt Biach. Als Grund nennt er die fehlende Gleisverbindung zur transsibirischen Eisenbahn, die nach Moskau und Kiew führt. Sie endet .in Kosice im Osten der Slowakei. 400 Kilometer Breitspurbahn fehlten, um sie bis nach Österreichs Hauptstadt zu bringen. Ohne diesen Anschluss sei Wiens Funktion als "Drehkreuz" für drei europäische Korridoren in Zukunft ebenso gefährdet, wie seine neue "Verteilerfunktion für den Zentral- und Osteuropäischen Raum seit dem Fall des Eisernen Vorhangs."

Nicht nur die hohen Kosten für den Bahnbau, die auf zwischen 6,5 bis neun Milliarden Euro geschätzt werden und komplexe Genehmigungsverfahren rufen Gegner auf den Plan. Mit dem benötigten riesigen Umladebahnhof zur Umspurung auf das europäische Schienennetz und Verladeplätzen zum LKW-Weitertransport stößt das Großprojekt bei Anwohnern potenzieller Standorte auf starke Ablehnung. So auch in Österreich, wo Parndorf im Burgenland, wie berichtet, bereits abgewunken hat.

im Kammer-Klub

Die WKO stützt sich dagegen auf Umfrageergebnisse, wonach 74 Prozent der Wiener für eine Verlängerung der Breitspurbahn seien und sich davon positive Impulse für Wachstum und Arbeitsmarkt versprechen.

Der Wiener Kammer-Vizepräsident Anton Ofner (2.v.r.) will bei den Seidenstraßen-Metropolen mitmischen und das nächste Treffen mit Vladimir Platonov (Moskau), Didier Kling (Paris), Zhang Yongming (Peking) und Tobias Weber (Berlin) (v.l.). in Wien veranstalten.
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Nach dem Beitritt der Kammer zu den Chamber 6 sagte Biach dem STANDARD, er habe der internationalen Vereinigung angeboten, Wien als nächsten Standort für ihr Treffen im April 2020. Auf der Agenda steht der Erfahrungsaustausch über den Ausbau des Kongresswesen in den Metropolen und über die urbane Digitalisierung beim Bau der "smart city". Neuer Punkt ist wie die Hauptstadtkammern ihre Zusammenarbeit mit Chinas neuen Seidenstraßen intensivieren können. "Alle wollen an das Konzept der Seidenstraßen andocken." (Johnny Erling, 6.5.2019)