Wien – Gewalt an Schulen ist wieder ein Thema: Seit am Freitag bekannt wurde, dass ein Lehrer in einer Wiener HTL Schüler bespuckt hat und im Laufe des Wochenendes Videos online verbreitet wurden, in denen zu sehen ist, wie der Lehrer in verschiedenen Situationen von Schülern drangsaliert wurde.

Ein Programm, das Gewalt in Schulen vorbeugen soll, ist die Peer-Mediation, bei der speziell geschulte Schüler deeskalierenden Einfluss ausüben sollen. Elisabeth Wolm-Egle hat das Konzept vor 25 Jahren mitentwickelt, im vorigen Schuljahr haben ihr zufolge 1300 Schüler daran teilgenommen. Wolm-Egle bietet derzeit die Ausbildung zum Schulmediator sowie zur Mobbingberatung an – nun aber für Lehrer. Das Training müssen Lehrer oder Direktionen selber bezahlen, der 70-stündige Kurs sei binnen zwei Wochen ausgebucht gewesen. Lehrer lernen dabei, wie man mit Konflikten umgehen kann, Gesprächstechniken und Diverses über ihre die Rolle als Mediator.

STANDARD: Sie bilden Lehrer als Mobbingberater aus. Sind Schüler der Mediation in Gewaltsituationen nicht mächtig, sind die Eskalationen zu groß?

Wolm-Egle: Bei der Peer-Mediation ging es immer um niederschwellige Konflikte. Mobbing ist aber immer Gewalt, hier waren immer Lehrer und Schulpsychologen gefragt. Wir bieten nun eine Ausbildung zur Schulmediation und ab Herbst auch zum Mobbingberater an. Hier geht es um Erwachsene, Lehrer an AHS und BHS. Denn an diesen Schultypen gibt es auch keine Schulsozialarbeiter. Die Lehrer werden ausgebildet, um in ihren eigenen oder in Nachbarschulen zu arbeiten.

STANDARD: Greift Peer-Mediation nicht weit genug?

Wolm-Egle: Die gibt es nach wie vor, aber wir glauben, dass es notwendig ist, auch Erwachsene auszubilden, weil Mobbing in der Schule extrem zunimmt.

Foto: imago/photothek

STANDARD: Kann eine sensibilisierte, geschulte Person so extreme Dynamiken in einem Klassenzimmer, wie sie nun bekannt wurden, wirklich verhindern? Man sieht in Videos eine ganze Klasse, die einen Lehrer drangsaliert.

Wolm-Egle: Ein Mobber baut um sich eine Gruppe auf, die ihn unterstützt, die sogenannte Unterstützergruppe. Der sogenannte Mobber muss nicht einmal selbst tätig sein, sondern er wählt aus der Gruppe einen aus, und der fängt dann an, den Lehrer zu provozieren. Das sind gewisse Schritte, die man kennen muss. Es geht um Täterpsychologie, aber auch um Opferpsychologie. Ein Opfer wird ja auch nie als Opfer geboren. Im aktuellen Fall hat sich, was ich aus den Medien weiß, das Ganze ja schon angekündigt, und es gab mehrere Vorfälle. Da ist es gut, wenn ein Lehrer in der Schule ausgebildet ist, zu dem Lehrer oder Schüler hingehen können. Es gibt Methoden, wie man ein Gespräch führt mit Mobbern, wie man mit Opfern umgeht oder das Opfer stärkt.

STANDARD: Wenn sich jemand von der Persönlichkeit her schwertut, vor einer Klasse Pubertierender zu stehen und zu unterrichten, kann man den so weit stärken, dass er da bestehen kann?

Wolm-Egle: Das glaube ich schon. Nur leider ist es so, dass in der Ausbildung der AHS- und BHS-Lehrer Schulmediation, Konfliktmanagement, Mobbingberatung nicht vorkommen. Der Lehrer steigt ein und fängt bei null an. Wenn ein Lehrer mit Ausbildung zum Mobbingberater oder -mediator vor Ort ist, kann ich mir vorstellen, dass der Direktor ihn zum Beispiel zur Supervision für neue Lehrer einsetzt.

STANDARD: Inwieweit spielen kulturelle Konflikte eine Rolle?

Wolm-Egle: Ich denke, das Alter der Jugendlichen spielt die entscheidende Rolle. Das hat nichts mit der Kultur oder der Muttersprache zu tun. Es kommt darauf an, wie ich als Lehrer mit Jugendlichen umgehen kann. (Gudrun Springer, 5.5.2019)