Wahlkampfauftakt mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache für FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky in der Lugner-City in Wien.

Foto: www.corn.at Heribert COR

In ihrem kürzlich erschienen Buch "Das Netzwerk der neuen Rechten" haben die "Zeit"-Kollegen Christian Fuchs und Paul Middelhoff minutiös die Verbindungen zwischen alten und neuen Rechten, zwischen Rechtsextremen, ehemaligen Neonazis und AfD-Funktionären und -Mitarbeitern aufgearbeitet. Zum Netzwerken gehören auch eigene Medien, Blogs, Portale und natürlich Youtube-Kanäle. Die ausgeklügelte Informations- und Medienstrategie ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der neuen Rechten.

Konsequent und klug eingesetzte Social-Media-Strategien führen dazu, dass Blogs und Medienseiten mit ideologische Texten, Beschimpfungen der politischen Gegner und Kritiker, Fake-News und Provokationen bedeutend mehr Nutzer von sozialen Medien erreichen als etablierte Zeitungen, führen die Kollegen aus.

Der zweite Erfolgsfaktor sind die rechtspopulistischen Parteien, die die neuen Rechten gerne als ihr Sprachrohr im demokratischen Diskurs und in politischen Entscheidungsprozessen sehen. In Deutschland ist das die AfD und in Österreich die FPÖ. Die Inhalte der neurechten Medien werde von Politikern oder auch von Parteiaccounts geteilt, und oft gibt es auch personelle Überschneidungen. So ist in Vizekanzler Straches Facebook-Feed neben der "Kronen Zeitung" das rechte Medium "Wochenblick" die bevorzugte Quelle. Der Geschäftsführer des "Wochenblick", Norbert Geroldinger, war jahrelang FPÖ-Obmann in Brunnenthal bei Schärding.

Diese Verbindungen führten in den letzten Jahre sukzessive dazu, dass die Themen und Ideologien der neuen Rechten und Rechtsextremisten einen Einzug in die Mitte der Gesellschaft, in den medialen Diskurs und in die Parlamente feiern konnten.

Ein sehr anschauliches Beispiel: Auf rechtsextremen Verschwörungsseiten und in FPÖ-nahen Medien wurde lange Stimmung gegen den UN-Migrationspakt gemacht. Mit verblüffend ähnlichen Argumenten und teilweise identischem Vokabular begründete die österreichische Regierung ihre Ablehnung des Paktes im Herbst 2018.

Ein weiteres, aktuelles und ebenso aufschlussreiches Beispiel ist der Begriff "Bevölkerungsaustausch". Es handelt sich dabei um einen rechtsextremen Kampfbegriff, der eine Verschwörungstheorie beschreibt. Man findet die Verschwörung auch unter "Bevölkerungswechsel", wie Viktor Orbán sie gerne ins Gespräch bringt, oder unter "Großer Austausch", wie die Identitären sie trommeln.

Was hinter der Verschwörungstheorie steckt und wie sie die neuen Rechten, Rechtsextremisten und Rechtspopulisten für ihre Zwecke einsetzen, haben die Kollegen vom Deutschlandfunk anlässlich des Attentats von Christchurch ganz gut nachgezeichnet. Der Attentäter von Christchurch und seine Spende an die Identitären war auch jener Anlass, der den Begriff in die österreichischen Medien trug. Zunächst distanzierten sich der Vizekanzler und die FPÖ auf Druck des Bundeskanzlers von den Identitären. Nur wenige Tage später machte die FPÖ EU-Wahlkampf mit diesem Begriff, und Strache nannte die Verschwörungstheorie in einem Interview mit der "Kronen Zeitung" "Realität".

Zahlreiche österreichische Medien, der STANDARD auch, unterzogen die kruden Theorien einem Faktencheck und brachten demografische Statistiken, Berechnungen und Prognosen in vielen möglichen Varianten. Doch kein Faktencheck und keine Statistik wird diese Verschwörungstheorie aus der Welt schaffen. Im Gegenteil. Der Identitäre Martin Sellner freute sich einen Haxen aus, als Strache den Begriff des "Austauschs" aufgriff und verteidigte. Er widmete dem Vizekanzler gleich ein Youtube-Video und nannte ihn in amikaler, hipper Jugendsprache "stabil".

Die Verschwörungstheorie vom "große Austausch" beruht nicht etwa lediglich auf falschen Prognosen, die man wissenschaftlich widerlegen kann, und gut ist es. Es geht den Rechtsextremen nicht um den Aussage "Die Gesellschaft verändert sich", denn natürlich tut sie das. Ihre Rede vom "Austausch" ist eine gezielte Strategie der Spaltung und Mobilisierung und ist im Grunde alter Wein in neuen Fässern: Die da oben, oft auch die "jüdische Finanzelite", bringen gezielt nichtweiße, muslimische Migranten in unsere Gesellschaften. Keine soziologische Studie, die nachgewiesen hat, dass Migrantinnen (ja, auch muslimische) dank Bildung und mit sozialem Aufstieg automatisch weniger Kinder bekommen, wird Rassisten davon überzeugen, dass nichts an der Verschwörung dran ist. Wie so oft geht es den Rechtsextremen und Rechtspopulisten mitnichten um irgendwelche Fakten. Es geht um Gefühle, und diese lassen sich mit einfachen Botschaften und Bildern am besten schüren.

Die Verschwörungstheorie verbreitet sich munter weiter, weil sie immer weiter gefüttert wird, auch vom österreichischen Vizekanzler. Und sie ist brandgefährlich, denn sie markiert nichtweiße, nichtchristliche Migranten als Gegner, ebenso wie jene Kräfte, die angeblich dafür sorgen, dass der angeblich überlegene (!) weiße Mann "ausgetauscht" wird. Diese Verschwörungstheorie will mobilisieren, und zwar nicht nur zum Gang an die Wahlurne. (Olivera Stajić, 7.5.2019)