Die Diskussion über Streitigkeiten und Mobbingvorfälle an der HTL Ottakring geht weiter.

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Wien – In der Causa um einen Wiener HTL-Lehrer, der einen Schüler bespuckt haben soll und offenbar über einen längeren Zeitraum von Schülern aggressiv provoziert wurde, wurden nun Maßnahmen bekanntgegeben: Eine unabhängige Kommission soll die Umstände genauer untersuchen, sagt der Sprecher der Wiener Bildungsdirektion, Matias Meissner, zum STANDARD.

Sowohl Bildungsministerium als auch Personalvertretung sollen Mitglieder entsenden. "Wir wollen gar nicht erst den Eindruck entstehen lassen, dass es um eine Reinwaschung geht oder eine interne Lösung, die nicht an die Oberfläche kommen soll", betonte Bildungsdirektor Heinrich Himmer nach einem Besuch der Schule am Montag. Das habe er auch mit dem Direktor vereinbart, der sein volles Vertrauen besitze. "Das muss sich jemand ansehen, der neutral draufschauen kann." In spätestens zwei Wochen soll der Bericht fertig sein.

Der Lehrer, der als Quereinsteiger in seinem ersten Jahr als Pädagoge tätig war, wurde vom Unterricht abgezogen. Am Montag hätte er eigentlich in der Bildungsdirektion befragt werden sollen. Doch dieser Termin findet nun nicht statt: Der Mann befindet sich im Krankenstand, wie der STANDARD erfuhr.

Volksanwalt leitet Verfahren ein

Nun schaltet sich auch Volksanwalt Peter Fichtenbauer ein und leitet ein amtswegiges Prüfverfahren wegen Verdachts auf grobe Verletzung der Aufsichtspflicht ein: "Liest man die Berichte über den Vorfall, scheinen bei allen Beteiligten die Sicherungen durchgebrannt zu sein", lässt der Volksanwalt via Aussendung wissen. "Aufgeklärt werden muss, wie lange diese Zustände schon bekannt waren und ob und inwieweit es sich um eine Intrige der Schüler gegen den Lehrer handelt."

Bundesschulsprecher Timo Steyer sagte, man hätte schon früher eingreifen müssen. Generell brauche es an Schulen mehr Psychologen und Supportpersonal.

HTL-Direktion mit Shitstorm konfrontiert

Die Schule im 16. Wiener Gemeindebezirk sieht sich, seit die Vorfälle und entsprechende Videos öffentlich geworden sind – der STANDARD sieht von einer Verbreitung der Videos ab –, mit massiver Kritik konfrontiert.

So fordert eine beachtliche Anzahl an Menschen, die Direktion der HTL Ottakring möge zurücktreten. Für einen entsprechenden Beitrag auf Facebook klickten 15.000 Menschen auf "Gefällt mir". Die Seite "Wir fordern: Rücktritt der Direktion der HTL Ottakring" ist mittlerweile allerdings offline.

Neue Vorwürfe

Dort wurde gefordert, dass der Direktor zurücktreten solle. Der Grund: Er sei zu wenig hinter dem Lehrer, der von Schülern schikaniert wurde, gestanden. Die Seitenadministratoren forderten dazu auf, entsprechende Beschwerden bei der Bildungs- und Schuldirektion zu deponieren. Zuvor war bekannt geworden, dass der Lehrer Schüler im Zuge der Auseinandersetzungen angespuckt hatte. Auch rassistische Beschimpfungen sollen erfolgt sein.

Außerdem stehen neue Vorwürfe im Raum: Lehrerkollegen sollen die Schüler dazu angestiftet haben, den Pädagogen "aus der Schule zu mobben". Einer der drei Administratoren der Facebook-Seite gibt gegenüber dem STANDARD an, dass man entsprechende Berichte von Schülern der HTL erhalten habe. Die Initiatoren des Protests selbst sind keine Schüler der HTL. Auch der Vorwurf der Anstiftung soll im Prüfverfahren der Volksanwaltschaft Thema sein. "Die Leitungsqualität ist beim derzeitigen Stand der Dinge schwer zu hinterfragen", sagt Fichtenbauer dazu.

Emotionales Thema

Aus der HTL wollte am Montag niemand direkt zu den alten und neuen Vorwürfen Stellung nehmen.

Bildungsdirektor Himmer betonte gegenüber der APA, dass sich derzeit ein vollkommen unterschiedliches Bild ergebe, je nachdem, mit wem man spreche: "Jeder hat eine andere Wahrnehmung." Das sei nach diversen Medienberichten und Facebook-Beiträgen überhaupt das Problem. "Viele haben dazu schon eine vorgefasste Meinung. Da ist es sehr schwierig, jetzt noch objektiv draufzuschauen." Zur lückenlosen Aufklärung brauche man daher unabhängige Zeugenaussagen.

Fragwürdige Verbreitung der Videos

Hätten die Videos, in denen die betroffenen Personen zu erkennen sind, überhaupt verbreitet werden dürfen? Medienrechtsanwältin Maria Windhager verneint. "Die erkennbar abgebildeten Personen können Ansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz und nach dem Mediengesetz wegen Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte geltend machen. " Sie könnten demnach auf Unterlassung klagen, aber auch immateriellen Schadenersatz wegen der erlittenen Kränkung verlangen.

Entscheidend ist, wer die Videos verbreitet hat. "Wenn diverse Medien, aber auch Privatpersonen, die Videos verbreitet oder in den Social Media geteilt haben, haften sie auch dafür und können von den Betroffenen belangt werden", sagt die Anwältin, die auch den STANDARD vertritt.

Zu prüfen sei laut Windhager auch, ob es in dem Fall nicht auch die Straftatbestände Cybermobbing und Cyberstalking verwirklicht seien. Sollte die Staatsanwaltschaft nicht ohnehin schon von sich aus tätig geworden sein, könnte eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht werden. Ob das bereits geschehen ist, war am Montagnachmittag noch unklar. (van, lhag, APA, 6.5.2019)