Eisenstadt – Ein Überholmanöver im November 2017 im Gegenverkehrsbereich der S31 bei Dörfl (Bezirk Oberpullendorf) hat für zwei Menschen tödlich geendet. Eine 58-jährige Lenkerin stand deshalb am Montag in Eisenstadt vor Gericht. Das rechtskräftige Urteil: zehn Monate bedingte Haft und 9.000 Euro Geldstrafe. Außerdem muss die Frau 15.500 Euro Trauerschmerzensgeld an Hinterbliebene zahlen.
Die Niederösterreicherin war am 17. November 2017 mit ihrer Familie in eine Therme im Mittelburgenland unterwegs. "Wir sind in der Früh weggefahren", hatte sich die Angeklagte am ersten Prozesstag erinnert. Im von ihr gelenkten SUV befanden sich ihr Mann sowie die Tochter und die Enkelin. "Die zweite Tochter war im Auto hinter uns. Wir waren circa eineinviertel Stunden unterwegs", schilderte die Frau.
Zwei Todesopfer
Als sie bei Dörfl einen vor ihr fahrenden Pkw und einen Sattelzug überholen wollte, habe sie geblinkt. "Dann bin ich rausgefahren und dann hat es schon geknallt. Ich habe einen dumpfen Knall gehört, dann sind die Airbags aufgegangen und dann war Stille", sagte sie. An Ort und Stelle habe sie selbst wenig mitbekommen. 14 Tage sei sie im Krankenstand gewesen, erinnerte sie sich. "Bis zu dem Unfall bin ich 40 Jahre unfallfrei gefahren", meinte die Frau, die sich geständig zeigte.
Im Kleinwagen, mit dem sie mit ihrem SUV frontal zusammenstieß, befand sich eine 57-jährige Burgenländerin. Die Frau habe ein massives Brust- und Beckentrauma sowie Gesichtsbrüche erlitten und sei noch an der Unfallstelle ihren Verletzungen erlegen, berichtete eine Sachverständige. Der 84-jährige Vater, der ebenfalls im Pkw mitfuhr, erlitt lebensgefährliche Verletzungen und starb im März 2018 im Krankenhaus Oberwart an den Folgen des Unfalls. Auch er hatte u.a. ein massives Brustkorbtrauma sowie massive Lungenverletzungen erlitten. Der Mann der Angeklagten kam mit leichten Verletzungen davon.
Verkehrszeichen übersehen
Die Staatsanwaltschaft hatte die Niederösterreicherin wegen grob fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Gefährdung der körperlichen Sicherheit angeklagt. Ein technischer Sachverständiger erklärte am ersten Prozesstag vor Gericht, dass es sich bei dem Überholvorgang um ein "riskantes Fahrmanöver" gehandelt habe. Die Angeklagte sagte aus, dass sie nach langer Autofahrt gedacht habe, weiterhin auf einer zweispurigen Autobahn unterwegs zu sein, als sie einen Pkw und einen Sattelzug überholen wollte.
Zur Einholung eines Ergänzungsgutachtens über die Beschilderung jenes Gegenverkehrsbereichs, wo sich der Zusammenstoß ereignet hatte, war der Prozess vertagt worden. Am Montag wurde er fortgesetzt: Aus dem ergänzenden Gutachten gehe hervor, dass vor der Unfallstelle drei Verkehrszeichen aufgestellt gewesen seien, beginnend mit dem Zeichen Fahrstreifenverengung 1,6 Kilometer davor, stellte Einzelrichterin Doris Halper-Praunias fest. Diese Verkehrszeichen seien offensichtlich von der Angeklagten übersehen worden.
Aus den Gutachten gehe hervor, dass die Angeklagte grob fahrlässig gehandelt habe, argumentierte Erste Staatsanwältin Beatrix Resatz. Die 58-Jährige sei nicht ortskundig gewesen, habe drei Hinweisschilder sowie die gesamte Fahrbahnführung quasi ignoriert und habe zu beschleunigen begonnen, ohne auf Gegenverkehr zu achten. Ein Privatbeteiligtenvertreter gab zu bedenken, dass dem Gutachten zufolge der von der Lenkerin eingeleitete Überholvorgang bis zum Abschluss länger als 15 Sekunden gedauert hätte: "Das ist eine Ewigkeit im Straßenverkehr."
Verzicht auf Rechtsmittel
Der Verteidiger wies darauf hin, dass seine Mandantin 40 Jahre unfallfrei unterwegs gewesen sei und ein reumütiges Geständnis abgelegt habe. Die Versicherung habe bisher eine Teilschadensgutmachung von 250.000 Euro bezahlt. Auch leide die Angeklagte selbst noch immer an den Folgen des Unfalls.
"Ich kann nur sagen, dass es mir wirklich leid tut", sagte die Niederösterreicherin vor der Urteilsverkündung. Nach dem Schuldspruch brach sie in Tränen aus. "Wenn man Verkehrsschilder übersieht und dann ein Überholmanöver setzt, ist das auch bei restriktiver Auslegung grob fahrlässig", stellte die Richterin in der Urteilsbegründung fest. Die Verurteilte sowie die Staatsanwältin und beide Privatbeteiligtenvertreter verzichteten auf Rechtsmittel. (APA, 6.5.2019)