Wahlkampf als Lehrveranstaltung. Sarah Wiener erklärt den versammelten Tiroler Grünen, wie man Wähler überzeugt.

Foto: Grüne / Sebastian Müller

Auf den Wochenendmärkten Innsbrucks war die Starköchin in ihrem Element.

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Die parteifreie Wiener verteilte sogar kurz ein paar pinke Luftballons.

Foto: Steffen Arora

Innsbruck – Sarah Wiener tat, wofür man sie geholt hat. Die leutselige Starköchin wahlkämpfte sich am vergangenen Wochenende durch die Innsbrucker Maria-Theresien-Straße. Sie posierte geduldig für Selfies, schäkerte mit Fans und verteilte pinke Luftballons an Passanten. Ja pinke, nicht grüne. Denn Wiener war im Vorbeigehen bei einem Wahlwerbestandl der Neos hängengeblieben, wo man sie begeistert begrüßte.

Der sie begleitende grüne Wahlkampftross stand etwas düpiert im Abseits. "Jetzt macht sie echt Werbung für die Neos ...", seufzte einer der Funktionäre ungläubig. Mit sanftem Druck und dem Verweis auf "die Termine" konnten sie ihr Zugpferd für die kommende EU-Wahl schließlich zum Weitergehen bewegen. Wiener rief den pinken Mitbewerbern im Abgang noch beherzt "Wenn ihr mal eine Krise habt, ruft mich an!" zu.

Köchin soll Erfolgsrezept bringen

"Ich trabe nicht brav vor der Kutsche", kommentierte sie die Szene mit spitzbübischem Lächeln. Die aus dem deutschen Fernsehen bekannte Köchin soll den krisengebeutelten Grünen Österreichs bei der EU-Wahl zum Erfolg verhelfen. Sie kandidiert auf Platz zwei hinter Werner Kogler. Als Wahlziel nennt die Partei drei Mandate, zwei seien als "geglückte Konsolidierung" aber auch noch in Ordnung.

Im Wahlkampf selbst herrscht Arbeitsteilung. Kogler übernimmt das Politische wie TV-Diskussionen. Wiener soll indes die Menschen draußen wieder für grüne Politik gewinnen. Für die redselige Entertainerin ein Leichtes. Wobei sie von sich selbst sagt: "Ich bin eine schlechte Wahlkämpferin. Ich gehe zwar gern auf Leute zu, aber ich überrede sie nicht gern." Sie wolle die Menschen vielmehr überzeugen. So wie sie selbst von ihren Standpunkten überzeugt ist: "Jeder vernünftige Mensch muss mir zustimmen."

Natur, Ernährung und Landwirtschaft

Thematisch konzentriert sich Wiener auf das, was ihr am Herzen liegt: intakte Natur, gesunde Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft. Was sie als Köchin und Landwirtin dazu zu sagen hat, wirkt nicht einstudiert. Sie fordert etwa die Abschaffung der Flächensubventionen und ausschließlich bodengebundene Tierhaltung. Beim Besuch in der Innsbrucker Markthalle diskutiert sie leidenschaftlich mit anderen Einkäufern über Lebensmittelqualität und gesunde Küche.

"Die ist sehr gut. Ich kenne sie aus dem Fernsehen. Genau das brauchen die Grünen jetzt, weil es braucht ja auch die Grünen wieder", sagt ein älterer Herr, nachdem er sich minutenlang mit Wiener unterhalten hat. Die Mission scheint zu glücken. Wiener schafft es, Menschen mit ihrer direkten und unkomplizierten Art wieder für grüne Politik zu begeistern.

Wiener als "Übersetzerin"

Im Tross, der ihr beim Termin in Innsbruck folgt, marschiert auch Bürgermeister Georg Willi mit. Bisweilen wirkt es wie eine interne Lehrveranstaltung für Parteigranden. Landes-Vize Ingrid Felipe ist ebenso dabei wie Landesrätin Gabriele Fischer und zahlreiche andere Funktionäre aus Tirol. Wiener zeigt vor, wie man Menschen auf Augenhöhe anspricht. "Sie ist wie eine Übersetzerin für uns", bringt es Willi auf den Punkt.

Ihr politisches Engagement erklärt Wiener so: "Ich rede seit jeher über diese Themen, und nun habe ich die Chance, auch direkt etwas zu bewirken." Wenn schon Politik, dann in Brüssel, sagt sie. Denn dort will sie in die Ausschüsse für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit.

Kandidatin kein Parteimitglied

Seitenhiebe auf politische Konkurrenten verkneift sie sich: "Ich stehe für einen anderen Umgang." Wobei sie an einer Diskussion mit FPÖ-Kandidat Harald Vilimsky schon interessiert wäre: "Weil ich seinen Hass und seine Aggression nicht verstehe." Aber Wiener mahnt die an ihren Lippen hängenden Grünen, auch intern zu einer besseren Diskussionskultur.

Parteimitglied ist sie bis heute nicht. Das stört aber selbst Kogler, der Wiener im Jänner angerufen hat und zur Kandidatur überreden konnte, nicht: "Mit ihr ist uns etwas gelungen. Wir haben aus unseren Fehlern gelernt." (Steffen Arora, 7.5.2019)