Anerkennung für das Leid der Überlebenden: Fotograf Luigi Toscano (im Bild links) beim Aufbauen der Schau.

foto: christian fischer

Wien – Am Wiener Burgring, dem Zaun zum Heldenplatz abgewandt, stehen seit Montag Porträtbilder dicht an dicht. Zwei Meter hoch – und damit größer als die meisten Vorbeikommenden – zeigen sie die Gesichter von NS-Überlebenden: Juden und Jüdinnen, Roma und Sinti, Menschen, die der nationalsozialistischen Euthanasie entkamen.

Die Bilder stammen aus der Kamera des deutsch-italienischen Fotografen Luigi Toscano. Seit 2015 fotografiert er Menschen, die den Vernichtungsfeldzügen der Nazis entkommen konnten. Dafür reiste er viel, denn er suchte die hochbetagten Überlebenden an deren Zuhause auf. Manche hätten dabei zum allerersten Mal über ihr Leiden und ihre Erfahrungen im Holocaust erzählt, sagt Toscano.

Foto erst nach längerem Gespräch

Die Porträts seien dann meist erst nach einem längeren Gespräch entstanden. "Ich glaube, ich hatte ein bisschen Glück. Als Italiener, der in Deutschland lebt, stieß ich auf Vertrauen."

Es ist die erste Ausstellung der im Rahmen von Toscanos Projekt "Gegen das Vergessen" entstandenen Arbeiten in Österreich; frühere Stationen waren die Ukraine, Deutschland und die USA. Das United States Holocaust Museum und die internationale Holocaust-Gedenkstätte in Israel haben sie in ihr Archiv aufgenommen.

Gastarbeiterkind und Autodidakt

Am Montag beaufsichtigte Toscano das Aufstellen der Porträts entlang des Zaunes zum Heldenplatz selbst. Als Fotograf ist der im deutschen Mannheim lebende, heute 46-jährige Sohn italienischer Gastarbeiter Autodidakt. Bevor er eine künstlerischen Laufbahn einschlug, arbeitete er als Dachdecker, Türsteher und Fensterputzer.

Dass die Bilder nun in Wien zu sehen sind, verdankt sich der Initiative des Fotografen, der Organisationsarbeit des Wiener psychosozialen Zentrums zur Betreuung von Opfern nationalsozialistischer Verfolgung und deren Angehöriger (Esra) sowie deutschen und italienischen Geldern.

Toscano wandte sich an Van der Bellen

Vor einem Jahr wandte sich Toscano mit der Austellungsidee an Bundespräsident Alexander Van der Bellen – der nun an der feierlichen Eröffnung am Dienstag teilnimmt. Van der Bellen beauftragte Esra mit der Durchführung. Ein Projekt wie dieses sei "Teil des Social Support für die Überlebenden", sagt Esra-Geschäftsführer Peter Schwarz. "Es dokumentiert, dass man ihre Leiden anerkennt." (Irene Brickner, 7.5.2019)