Ari-Rath-Preisträgerin Silvana Meixner mit ihrem Kollegen von "Heimat, fremde Heimat", Lakis Ioordanopoulos.

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TV-Manager Gerhard Zeiler hielt die Laudatio auf Silvana Meixner.

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Der "Kurier"-Herausgeber Helmut Brandstätter wurde mit dem Ari-Rath-Ehrenpreis für kritischen Journalismus ausgezeichnet.

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Wien – Die ORF-Moderatorin Silvana Meixner erhielt Montagabend den Ari-Rath-Preis für kritischen Journalismus, der dieses Jahr zum zweiten Mal vergeben wurde. Silvana Meixner präsentiert und leitet die Sendung "Heimat, fremde Heimat" der ORF-Minderheitenredaktion, die für und über ethnische Minderheiten in Österreich informiert.

Der ehemalige "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter wurde mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet. In seiner Dankesrede am Montagabend, die DER STANDARD vorab bekam, holte Brandstätter aus: Er sehe den Beruf des Journalisten gefährdet – auch in Österreich: "Die Architektur unserer Demokratie, zu der freie Medien gehören", sei nicht mehr selbstverständlich.

Brandstätter kritisierte in seiner Rede insbesondere die türkis-blaue Regierung. Sie wolle "mitreden und kontrollieren", so der Journalist. "Aber: Wenn wir beim Schreiben, beim Berichten und Analysieren auch nur einen Gedanken an mögliche negative Auswirkungen unserer Arbeit zulassen, sind wir schon am Anfang vom Ende der Pressefreiheit." Just diese Gedanken höre er "immer öfter" von Journalistinnen und Journalisten aus mehreren Redaktionen.

Verhältnis zwischen Politik und Medien zu stark von purer Angst bestimmt

In Österreich sei das Verhältnis von Politikern zu Medien heute "sehr, sicher zu stark, von purer Angst bestimmt", so Brandstätter weiter. Politiker hätten Angst davor, dass sie "heruntergeschrieben" werden, "wie das ein Geschäftsmann in Verkleidung eines Journalisten in Österreich gerne unverblümt androht. An höflichen Tagen. An unhöflichen schlägt er zuerst verbal zu, um nachher zu kassieren." Fast alle Politiker hätten Angst davor, dass auch gegen sie kampagnisiert wird. Sie hätten Angst, "dass nachteilige Fotos verwendet werden und dass sie in ihrer Umgebung als zu schwach wahrgenommen werden, derartige Kampagnen zu verhindern."

Brandstätter weiter: "Auch Journalisten haben Angst. Zunächst einmal davor, von wichtigen Informationen abgeschnitten zu werden. Im Innenministerium war man dumm genug, das auch noch schriftlich anzuweisen. Dazu kommen existenzielle Ängste auf beiden Seiten. Abgeordnete zum Nationalrat können in ihrem Wahlkreis noch so fleißig und beliebt sein. Aber wenn der Landeschef, der Parteichef oder gar der Erfinder einer Bewegung den Daumen senkt, dann weiß die ganze Arena: Das war's. Auch für Redakteurinnen und Redakteure kann es existenziell werden – ein weitgehend abgesicherter Job, das war einmal."

Attacken auf Journalisten

"In diese Stimmung der allgemeinen Unsicherheit beobachten wir auch noch Attacken auf Journalisten, die ihren Beruf ernst nehmen. Wenn das nicht reicht, kommt es zu Einschüchterungsversuchen aller Art. Ich weiß, wovon ich rede, habe mich aber nicht einschüchtern lassen. Weder durch Klagen noch durch Verleumdungen, als etwa der Sprecher des Vizekanzlers mir einen SS-Verwandten andichten wollte, übrigens unter Berufung auf die Neonazi-Website Metapedia. Dass Metapedia von Neonazis betrieben wird, hätte er auf den ersten Blick erkennen müssen. Auch Drohungen, unser Wohnhaus auf FPÖ-TV und Facebook zu zeigen, konnten mich nicht einschüchtern."

Einen Seitenhieb auf seinen Erzfeind Wolfgang Fellner ließ Brandstätter nicht aus: "Auch eine Kampagne mit gefälschten Dokumenten und andere Lügengeschichten des Gratisblattes 'Österreich' konnten mir keine Angst machen. Dass schon die SPÖ-ÖVP-Regierung diese Fälscherwerkstätte finanzierte, war eine Schande; dass Türkis-Blau noch mehr zahlt und diese oft als Mitteilungsorgan der Regierung verwendet, ist oft nur mehr peinlich."

"Wir haben ja auch Privilegien, also dürfen wir auch nicht wehleidig sein. Aber das darf kein Freibrief für persönliche Attacken sein, egal von wem sie kommen. Wer den 'Kurier', mich oder Chefredakteurin Martina Salomon kritisieren will, soll das tun, sachlich, aber nicht beleidigend wie zuletzt die SPÖ Langenzersdorf."

Diskusssion um den ORF "rundherum scheinheilig"

Die Diskussion um den ORF bezeichnete Brandstätter als "rundherum scheinheilig": Wenn dem ORF Unabhängigkeit wichtig wäre, warum sei dann die Führung nicht stärker aufgetreten, jetzt oder bei der vorherigen Regierung, fragte der Journalist. "Und wenn der SPÖ die Unabhängigkeit des ORF so wichtig wäre, warum hat sie dann nicht als Kanzlerpartei dafür gesorgt?"

In der aktuellen Situation müsse man den ORF vor "primitiven Angriffen, die absurderweise sogar von der Spitze des Stiftungsrates kommen, in Schutz nehmen". Brandstätter: "Nur anständiger, unabhängiger Journalismus kann die Existenzgrundlage eines öffentlich-rechtlichen Senders sein."

Brandstätter begann seine Karriere 1982 in der Auslandsredaktion des ORF als Korrespondent in Bonn. Gerd Bacher machte ihn 1991 zum Leiter der Hauptabteilung Politik und Zeitgeschehen. Brandstätter moderierte ab 1995 den "Inlandsreport", das Vorgängermagazin des heutigen "Report". Den ORF verließ der Journalist 1997, um in Berlin den Job des Geschäftsführers des Nachrichtensenders n-tv zu übernehmen. Ab 2003 moderierte er beim damals neuen Privatsender Puls, heute Puls 4. 2010 wurde er Chefredakteur des "Kurier", 2013 auch Herausgeber. 2018 gab er die Funktion des Chefredakteurs an Martina Salomon ab. Der 64-jährige bewies sich immer wieder als schlagfertiger und wortmächtiger Kommentator seiner Zeit.

Auszeichnung für Silvana Meixner

Silvana Meixner kam 1986 nach Wien und 1988 zum ORF, wo sie am Aufbau der Minderheitenredaktion mitwirkte. Am 3. Dezember 1993, also vor 25 Jahren, wurde sie durch eine Briefbombe schwer verletzt.

Unbeeindruckt davon engagierte sie sich weiter journalistisch für geflüchtete Menschen, ethnische Minderheiten und Menschenrechte. Sie hat im ORF ein Team arbeitender Journalistinnen und Journalisten aufgebaut, die inzwischen weit über die Stammredaktion von "Heimat, fremde Heimat" hinausstrahlt.

Gegen den Strom zu schwimmen sei ihre zweite Natur geworden, sagte Meixner. Den Preis nahm sie mit Freude entgegen, aber trotzdem "müssen wir alle jeden Tag, jede Stunde und in allen Lebenslagen für ein friedliches Miteinander aufstehen".

Die Laudatio auf Meixner hielt der TV-Manager und ehemalige ORF-Generaldirektor Gerhard Zeiler. Meixners Redaktion sei ein Beispiel dafür, "wie friedliches Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur funktionieren kann. Diesen Dialog zu führen, oft leidenschaftlich, aber immer im Respekt vor den anderen", sei Meixners Stärke. "Ihr Ziel ist es, dass wir alle einmal sagen können: Wir sind die und die sind wir." Meixner gebe den Sprachlosen, die keine oder nur eine sehr schwache Lobby hätten, eine Stimme. "Genau diese Themen zu thematisieren, Diskussionen zu provozieren, das macht den Tiefgang der Sendung ,Heimat, fremde Heimat‘ aus. Und es zeigt, wie vielfältig Österreich ist."

Über den ORF sagte Zeiler: "Ich bin extrem froh, dass es in Österreich einen extrem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt." Diese wesentliche Aufgabe einer unabhängigen Berichterstattung werde vom ORF "in hervorragender Weise" erfüllt. Unabhängig zu berichten erfordere, unbequeme Themen aufzugreifen. Das erfordere Mut, sagte Zeiler, selbst wenn man mit "drohenden Konsequenzen und Auszeitforderungen" konfrontiert werde. Den Unabhängigen sei "der Dank der Demokratie sicher".

Die Laudatio auf Brandstätter hielt der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky. "Er hat eine geringe Neigung gehabt, sich im Hintergrund zu halten", sagte Vranitzky mit Schmunzeln über den Preisträger. Er warnte vor Spaltungen weltweit wie in Europa und in Österreich.

Verdienste um die Wahrung der Menschenrechte

Der Ari-Rath-Preis für kritischen Journalismus wurde auf Basis einer Privatinitiative eingerichtet, um im Sinne des im Jänner 2017 verstorbenen langjährigen Chefredakteurs der "Jerusalem Post" Journalistinnen und Journalisten auszuzeichnen, die sich in ihrer Arbeit um eine kritische und der Wahrung der Menschenrechte verpflichtete Berichterstattung über Flucht, Vertreibung und Asyl in hervorragender Weise verdient gemacht haben.

Der Publizist Ari Rath war am 2. November 1938 als Kind im Alter von 13 Jahren nach der nationalsozialistischen Machtübernahme mit Gewalt vertrieben worden und hatte in Palästina und später im Staat Israel eine neue Heimat gefunden. In den letzten Jahren lebte Ari Rath großteils in Wien und wirkte als kritischer Mahner für eine demokratische und friedliche Zusammenarbeit der Menschen. Als Zeitzeuge des nationalsozialistischen Terrors plädierte er immer wieder für die absolute Ablehnung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die er in vielen Vorträgen und Gesprächen mit Schülern über den Antisemitismus hinaus als Botschaft vermittelte.

Im Vorjahr wurde die ehemalige STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid mit dem ersten Ari-Rath-Preis ausgezeichnet. (red, 6.5.2019)