Immer alles unter Kontrolle dank des neuen Lenkassistenten.

Foto: TU Delft

Noch sieht die Technik etwas klobig aus – bis zur Marktreife wird es dauern.

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Innsbruck/Delft – Nach dem ABS für E-Bikes, das an dieser Stelle schon vorgestellt wurde, kommt nun der erste Lenkassistent. Der königliche niederländische Radhersteller Gazelle hat in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Delft einen funktionstüchtigen Prototyp entwickelt. Die Erfindung soll ab Geschwindigkeiten über 4 km/h eingreifen, wenn der Lenker die Kontrolle über sein Rad verliert.

So funktioniert der Lenkassistent in der Praxis.
TU Delft

Die Idee zum Lenkassistenten ist dem Siegeszug der E-Bikes geschuldet. Denn das klassische Hollandrad, wie es Gazelle herstellt, weist dank aufrechter Sitzposition und sehr spurtreuer Lenkung einen hohen Fahrkomfort auf. Mit den nun auch in den Niederlanden immer populärer werdenden E-Bikes steigen aber die Unfallzahlen, vor allem unter den älteren Radfahrern.

Unfallzahlen steigen bei Älteren

Wie das niederländische Verkehrssicherheitsinstitut (SWVO) in Studien festgestellt hat, sind die Unfälle mit Radfahrerbeteiligung zwischen den Jahren 2000 und 2010 um 30 Prozent gestiegen. Jährlich kommen rund 120 Radler über 55 Jahren bei Unfällen ums Leben, mehr als 4.000 dieser Altersklasse sind jedes Jahr in schwere Unfälle verwickelt. Mit der Zunahme von E-Bikes, die schwerer und schneller sind als herkömmliche Hollandräder, befürchtet man nun einen weiteren Anstieg der Unfallzahlen.

Daher haben die TU Delft unter der Teamleitung von Arend Schwab und Gazelle nun zusammen weltweit ersten Lenkassistenten für E-Bikes entwickelt. Die Technologie greift automatisch ein, wenn ein Kontrollverlust droht, und hilft so, die Spur zu halten. Erste Test haben ergeben, dass die Technik von den meisten Radfahrern als hilfreich empfunden wird.

Jahrelange Forschung als Basis

Die Erfindung fußt auf jahrelanger wissenschaftlicher Arbeit der Forscher in Delft, wo seit nunmehr 15 Jahren erforscht wird, wann und warum Fahrräder die Balance verlieren. Schwab und sein Team haben dazu sogar in wissenschaftlichen Journalen wie "Science" Arbeiten veröffentlicht. "Wir haben ein mathematisches Modell, basierend auf 25 physikalischen Parametern, erstellt, das erfolgreich die Stabilität eines Fahrrads je nach Design und Geschwindigkeit vorhersagen kann."

Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde der Lenkassistent entwickelt. Die Funktionsweise selbst sei recht simpel, sagt Schwab: "Man braucht einen Sensor, der erkennt, wann das Fahrrad kippt, einen Motor, der in die Lenkung eingreifen kann, und einen Prozessor, um den Motor zu kontrollieren." Die größte Herausforderung sei es gewesen, den richtigen Algorithmus für den Prozessor zu finden – genau dafür konnten die Forscher auf ihre bisherigen Erkenntnisse zurückgreifen.

Bis der Lenkassistent jedoch Marktreife erreichen wird, ist noch viel zu tun. Derzeit ist die Technik noch viel zu groß für die Serienproduktion, und es bedarf noch zahlreicher Tests zur Funktionsweise. Dennoch sind sich die Forscher wie auch Gazelle sicher, dass ihre Erfindung in wenigen Jahren aus dem Radverkehr nicht mehr wegzudenken sein wird. (Steffen Arora, 7.5.2019)