Wird ein Kind in Österreich wegen einer Krisensituation aus seiner Familie genommen, kann die Fremdbetreuung je nach Bundesland durchaus unterschiedlich aussehen. Die Volksanwaltschaft kritisiert das seit langem und stellte nun mit Experten Qualitätsstandard für eine Vereinheitlichung vor.

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Wien – 13.600 Kinder leben in Österreich – teilweise vorübergehend – aufgrund von Krisensituationen nicht in ihren eigenen Familien. Rund 8.400 von ihnen werden in sozialpädagogischen Einrichtungen betreut. Wie diese Betreuung aussieht, ist allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Im 2017 erschienenen Sonderbericht merkte die Volksanwaltschaft sogar an: "Welche Angebote der Sozialarbeit in der Praxis zur Verfügung stehen, ist nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern teils sogar auf Bezirksebene unterschiedlich."

"Verländerung" umstritten

Obwohl die Volksanwaltschaft diese föderalistische Ausprägung regelmäßig kritisiert, wurde sie von der neuen Bundesregierung zuletzt noch verstärkt: Anfang April passierte die sogenannte "Verländerung" der Kinder- und Jugendhilfe den Ministerrat im Zuge des großangelegten Kompetenzbereinigungspakets. Für die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament hatte die Regierung auch die SPÖ auf ihrer Seite, heftige Kritik an der Verländerung gab es hingegen von den Neos und der Liste Jetzt.

Auch Volksanwalt Günther Kräuter hat für den eingeschlagenen Weg nur kritische Worte übrig: "Die Zivilgesellschaft wurde überhaupt nicht gehört. Es gab massive Kritik. Dass die Verländerung doch passiert, ist ein erbärmliches Beispiel für politische Irrationalität und Unkultur."

Qualitätsstandards als Notlösung

Damit ein fremdbetreutes Kind in Vorarlberg nicht viel schlechter behandelt wird als in Wien – oder umgekehrt –, wurde am Dienstag in der Volksanwaltschaft nun eine Art Notlösung präsentiert. 19 Organisationen aus Wissenschaft und Praxis erarbeiteten dafür ausführliche Qualitätsstandards, an die sich die Bundesländer halten sollen.

Die insgesamt 66 Standards seien notwendig, "weil es nicht vom Wohnort abhängen darf, mit welcher Qualität ein Kind betreut wird. Wie soll ich diese Unterschiede dem betroffenen Kind denn erklären?", fragte Projektleiterin Bettina Terp in die Runde. Sie ist Präsidentin der Fice (Fédération Internationale des Communautés Educatives) Austria, von der die Ergebnisse auch als Fachpublikation herausgegeben werden.

An der Erarbeitung waren 40 Mitwirkende aus allen Bundesländern beteiligt. Wie unterschiedlich die Kinder- und Jugendhilfe aussieht, sei auch in dem Arbeitsprozess deutlich geworden, sagt Stephan Sting von der Alpen-Adria-Uni Klagenfurt, der wissenschaftliche Erkenntnisse für das Projekt lieferte: "Teilweise werden nicht einmal die gleichen Begriffe verwendet."

Welche Unterschiede es gibt

Terp ist überzeugt, dass manche Einrichtungen "einen weiten Weg" vor sich hätten. Man sei aber optimistisch, dass die hochgesteckten Standards gut angenommen werden, obwohl sie natürlich nicht verpflichtend sind.

Beträchtliche Unterschiede gibt es laut Volksanwaltschaft etwa in der Personalbesetzung, den Gruppengrößen oder bei den Ausbildungsanforderungen für das Personal, aber auch bei der baulichen Ausstattung. "Defizite dieser Art bereiteten den Boden für Missbrauch und Gewalt", sagt Kräuter. Das sei zwar "heute selten geworden, kommt aber vor". Ein anderes Beispiel für regionale Unterschiede: Nicht in allen Bundesländern gibt es für fremduntergebrachte Kinder und Jugendliche Beschwerdestellen, an die sie sich wenden können, wenn sie in den Heimen psychische oder physische Gewalt erfahren. Das soll sich beispielsweise ändern.

Eigeninitiative statt einheitliche Standards

In den Qualitätsstandards wird außerdem betont, dass sich betroffene Eltern und Kinder an der Gestaltung von Hilfsangeboten beteiligen. Im Sonderbericht von 2017 vermerkt die Volksanwaltschaft dazu: "Einige Bezirksverwaltungsbehörden wenden solche Praktiken bereits sehr erfolgreich an. Die Initiative dazu geht zumeist von engagierten Sozialarbeitern aus." Bestrebungen zu einheitlichen Standards für diese Form der Arbeit mit Familien gebe es jedoch nicht. Nun sollen sich Träger an den Qualitätsstandards orientieren.

Damit das gelingt, konnten sich Vertreter aus der Praxis bei einer Fachtagung am Dienstag mit den Inhalten vertraut machen. (Lara Hagen, 7.5.2019)