Rund 150 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrlinge kamen zu der von der von STANDARD-Redakteurin Irene Brickner moderierten Diskussion.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Am Dienstag trafen österreichische Kandidaten zur EU-Wahl auf 150 Schüler aus Wien, dem Burgenland, Nieder- und Oberösterreich. Schüler aus zwei Klassen hatten im Vorfeld an einem Workshop für Jungwähler der unparteiischen Plattform Wahlbeobachtung.org teilgenommen, andere hatten im Klassenverband Fragen gesammelt.

Die größten Themen: Fridays for Future, Rauchen, Cannabis-Legalisierung, Urheberrecht, Ehe für alle, Asyl. Im Haus der Europäischen Union in Wien diskutierten die Wahl-Kandidaten unter Moderation des STANDARD die Fragen der Schüler – hitzig wurde es erst, als es um Flüchtlinge ging.

"Der alten Politik einen Arschtritt"

Gekommen waren Othmar Karas (Spitzenkandidat der ÖVP), Robert Lugar (FPÖ-Abgeordneter im Nationalrat), Evelyn Regner (SPÖ, Listenplatz 2), Karin Feldinger (NEOS, Listenplatz 2 ), Johannes Voggenhuber (Spitzenkandidat der Initiative 1Europa) und David Stögmüller (Grüne, Bundesrat und Bezirkssprecher Braunau am Inn).

"Mir ist es tausendmal lieber, die Jugend steht auf, als sie bleibt Zuhause sitzen", antwortete Karas auf eine Frage zu den Fridays-for-Future-Demonstrationen. Stögmüller lobte die Jugendbewegung zum Klimaschutz, sie gebe "der alten Politik einen Arschtritt". Regner bezeichnete die Fridays-for-Future-Initiatorin Greta Thunberg, die selbst schon einmal persönlich getroffen habe, als "Vorbild, nicht nur für Jugendliche".

Othmar Karas (ÖVP) sprach sich für Fridays for Future aus.
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Jugendliche in EU-Politik einbinden

Einig war man sich, dass die Jugend in europäische Entscheidungen mit eingebunden werden müsse – nicht zuletzt, da die Wahlbeteiligung an der Europawahl 2014 in Österreich nur bei 45.39 Prozent lag. Das Interesse der Jugendlichen am EU-Geschehen zu schüren liege also im Interesse aller Parteien. Mehr Wahlbeteiligung bedeutet schließlich mehr potentielle Wähler.

Karas, Regner, Stögmüller und Voggenhuber positionierten sich gleichermaßen gegen Rauchen in Lokalen. Karas widersprach hier der Entscheidung der regierenden ÖVP. Er habe 2018 "das Rauchervolksbegehren unterschrieben", welches sich ob zu weniger Eintragungen ja buchstäblich in Rauch aufgelöst hatte.

Evelyn Regner (SPÖ) war ebenfalls gegen das Rauchen in Lokalen.
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Lugar für den blauen Dunst in Lokalen

Einzig Robert Lugar, dessen Partei sich in Koalition mit der ÖVP explizit für das Rauchen in Lokalen ausgesprochen hat, meint, dies müsse wohl "jeder selbst entscheiden". Es solle weiterhin abgetrennte Raucherbereiche geben und in Restaurants solle nicht geraucht werden.

Voggenhuber, Stögmüller, Feldinger und Regner sprachen sich für eine Legalisierung von Cannabis aus.; Regner unter der Bedingung sehr strenger Auflagen. Für Karas ist diese Frage "nicht Sache der EU-Gesetzgebung". Er beantwortete sie nicht – während Lugar explizit gegen einen legalen Zugang ist. Man habe ja in den 1920er-Jahren, also auch Heroin legal gewesen sei, gesehen, wohin das führe.

Robert Lugar (FPÖ) möchte Cannabis nicht legalisieren.
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Urheberrecht: Die Diskrepanz zwischen Wort und Tat

Erstmals gestichelt wurde beim Thema Urheberrecht: Vor den Schülern sprachen sich alle Politiker gegen die Neuerungen rund um Leistungsschutzrecht und Uploadfilter aus: auffallend, da das Gesetz bereits von der EU verabschiedet worden ist – unter Abstimmung einiger der Anwesenden. Einzig Otmar Karas zeigte sich von den Neuerungen angetan, es brauche nun tragbare nationale Umsetzungen und einen Dialog zwischen Kreativwirtschaft, Politik und Usern.

Kritik dazu kam vor allem von Neos-Kandidatin Karin Feldinger, die den Jugendlichen riet, das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten online einzusehen, und sich selbst ein Bild zu machen. Tun kann man das auf der Website der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik unter dem Punkt "Abstimmungsmonitoring".

Karin Feldinger (NEOS) riet den Schülern, das "Abstimmungsmonitoring" der EU-Abgeordneten zu konsultieren.
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Umwelt 2.0: Plastikmüll, Verkehr & Tierschutz

Die Themen Klimaschutz und Umwelt hatten bereits die vorbereitenden Workshops dominiert. Hier bestand unter den Politikern einigermaßen Einigkeit. Öffentlicher Verkehr sei zu fördern und der CO²-Ausstoß zu verringern. Grüne, SPÖ und Voggenhuber sprachen sich für eine CO²-Steuer aus, Karas berief sich auf die bisherigen Erfolge der EU (konkret: die Einführung der LED-Lampen) und Lugar sprach von den Vorteilen des Elektroautos, die Autoindustrie und Politik leider nicht wahrnehmen würden.

Zum Problem des Plastikmülls sagte Lugar, man müsse auf Recycling setzen, denn es gebe ja kein "Wasser in Glasflaschen"; das Publikum widersprach lauthals. Stögmüller wies auf das in Deutschland existierende Pfandsystem für Plastikflaschen hin, welches in Österreich bisher fehlt. Der Grüne ging als Einziger konkret auf die Frage eines Schülers ein, wieso Tiere immer noch als Sache gelten, und sprach die Missstände bei Tiertransporten an, für die es neue EU-weite Regelungen geben müsse.

David Stögmüller von den Grünen nahm sich der Frage, wieso Tiere gesetzlich immer noch als Sache gelten, an.
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Streitpunkt Asylpolitik

FPÖ-Kandidat Lugar, dessen Partei auf EU-Wahlplakaten mit dem Slogan "FPÖ voten gegen Asylchaoten" wirbt, wurde direkt auf dieses Plakat angesprochen, mit der Bitte, es zu erklären. Lugar erklärte den Begriff "Asylchaos" als Folge, dass zwischen Schutzbedürftigen und Migranten nicht unterschieden werde. Die "Chaoten" seien demnach in der Politik zu finden. Zudem sprach er sich gegen die bisherige österreichische Flüchtlingspolitik aus, und sagte zu Kriegsflüchtlingen wörtlich "Es ist, als gäbe es auf der Party kein Bier mehr, und man würde zum Nachbarn gehen".

Die anderen Kandidaten widersprachen dieser Darstellung unisono und forderten legale Fluchtwege in die EU. Voggenhuber erinnerte unter tosendem Applaus aus dem Publikum an die zehntausenden österreichischen Flüchtlingshelfer, die von der FPÖ auf besagtem Wahlplakat "als Willkommensklatscher diffamiert" würden, und sagte, eine Partei, die "Neonazibegriffe wie Bevölkerungsaustausch" in ihrem Sprachgebrauch habe, wirke lächerlich bei dem Versuch, fremdenfreundlich zu wirken.

Johannes Voggenhuber (Initiative 1Europa) erinnerte unter tosendem Applaus aus dem Publikum an zehntausende österreichische Flüchtlingshelfer.
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Die Sprache der FPÖ würde die Bevölkerung spalten, fügte dem Karas hinzu und betonte, dass jeder Flüchtling auch das Recht auf Asyl habe. Wer sich nicht an diese Gesetze halte, sei der, der "Chaos auslöse".

Eine zweite sozialpolitische Frage blieb ob der erhitzten Debatte rund um die Flüchtlinge fast ungehört: Die Frage, ob die Gleichstellung der Ehe für Homosexuelle mit der heterosexueller Paare ein EU-weites Gesetz werden solle. Karas nannte das Diskriminierungsverbot der EU als Richtwert, sieht die Zuständigkeit aber bei nationalen Politikern.

Shootingstars Stögmüller & Lugar

Karas und Regner verabschiedeten sich nach ihrem jeweiligen letzten Statement bereits zum nächsten Termin. Die Schlussworte ihrer Kollegen warteten sie nicht ab. Lugar blieb, schaute während den Endausführungen Feldingers konzentriert ins Handy. Nach der Veranstaltung wurden er und Stögmüller von Schülern umringt, die noch Fragen hatten. Auch Neos-Kandidatin Feldinger blieb noch, um mit den Schulklassen in direkten Dialog zu treten. (Stefanie Schermann, 8.5.2019)