Gut gepolstert und wetterfest sitzt es sich im Müllcontainer. Fahrbar sind die Sitzmöbel auch noch. Der kleinere Bruder des Sofas war ursprünglich ein Mistkübel, der zum Fauteuil halbiert wurde.

Gabarage

Wien – Eine Sitzgarnitur aus ausrangierten Rolltreppen, eine fahrbare Couch aus dem Unterteil eines Müllcontainers oder Hocker aus Büchern – bei den Designern von Gabarage bekommen abgenutzte Gebrauchsgegenstände oder Industriematerialien ebenso eine zweite Chance wie chronisch suchtkranke oder gesellschaftlich benachteiligte Menschen.

"Wir basteln nicht", stellt die Obfrau des Trägervereins Social Design Business, Verein zur Förderung der Sozial- und Kreativwirtschaft, Gabriele Gottwald-Nathaniel, klar, "unsere Produkte müssen markttauglich sein." Denn ohne Eigenerlös, den die Obfrau auf 300.000 Euro taxiert, könnte die 2002 gegründete und für ihre Taschen aus Lkw-Planen inzwischen berühmte Gabarage, nicht überleben – trotz Förderungen des EU-Sozialfonds (ESI), des Arbeitsmarktservices (AMS) und der Stadt Wien in der Größenordnung von 600.000 Euro.

116 Klienten

Zu überbrücken ist nämlich die Zeit bis zu Bewilligung und Auszahlung der EU-Förderzusagen. Sonst könne man die Teilnehmer im Programm "Betreute Beschäftigung mit integrativer Qualifizierung" nicht durchbringen. Seit 2016 betreute man 116 Klienten – von der Einführungsphase (in der therapeutisches Taschengeld bezahlt wird) bis zur neunmonatigen Ausbildung, in der die meist jungen Menschen für den ersten Lehrstellen- oder Arbeitsmarkt aufqualifiziert werden. Die Vermittlungsquote beträgt beachtliche 65 Prozent.

Wiewohl Tischler, Näher, Metallverarbeiter und Designer in der Werkstätte in Rudolfsheim-Fünfhaus beschäftigt sind: Offiziell ist Gabarage eine Abfallsammelanlage, die – mit Ausnahme von Elektronik und gefährlichen Altstoffen – verwertet, was anderswo ausgemustert wird. Vorausgesetzt, es gibt eine zündende Idee. Aktuell entwickelt man getreu den 17 Nachhaltigkeitskriterien der Uno Zero-Waste-Einrichtung für ein neues Boutiquehotel in Wien.

Viel Bürokratie

"Die Bürokratie ist mühsam, aber es lohnt sich", sagt Gottwald-Nathaniel. Ohne EU-Gelder aus dem Sozialfonds hätte man das Projekt vor 17 Jahren nie starten können.

Bürokratie ist auch das Stichwort für Jörg Wojahn, den Repräsentanten der EU-Kommission in Österreich. Einige Vereinfachungen seien umgesetzt: Die sieben EU-Förderfonds verwenden jetzt die gleichen Fördervorschriften, und es gibt nur noch ein Audit durch eine EU-Institution. Missbrauch von Fördermitteln ist das zweite Schlagwort, mit dem die EU in der Öffentlichkeit steht. Er soll durch die Europäische Staatsanwaltschaft direkt geahndet werden. Bisher konnte nur die Justiz im Mitgliedsstaat ermitteln – mit mäßigem Erfolg, wie Rumänien und Tschechien zeigen.

Ringen um EU-Budget

Offen ist, wie viel nach dem Brexit in den EU-Fördertöpfen sein wird. Den Finanzrahmen legt nach der Wahl des EU-Parlaments die neue EU-Kommission mit den Mitgliedsstaaten fest. Österreich hat von den Fonds für Regionalentwicklung, Landwirtschaft, Fischerei und den Sozialfonds von 2014 bis 2020 kräftig profitiert. 5,2 Milliarden Euro flossen in hunderte Projekte in Städten, Dörfern und Regionen wie "Werkraum Bregenzerwald", zu dem sich kleine Handwerksbetriebe zusammengeschlossen haben. Die Beschäftigung im Ländle sei von 128.000 auf 176.000 Personen gestiegen, der Exportumsatz auf über zehn Milliarden Euro. "Zehn Prozent davon gehen nach Osteuropa. Auch wir profitieren von der EU-Osterweiterung", sagt Vize-Landtagspräsidentin Martina Rüscher.

Größter Profiteur ist das Burgenland. Seit 1995 wurden aus 1,5 Milliarden Euro an EU-Förderungen sechs an Investitionen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen stieg von 22.000 auf 32.000 Euro, das BIP pro Kopf um 22 Prozentpunkte auf 91 Prozent des EU-Schnitts, sagt Landesrat Christian Illedits (SPÖ) anlässlich des Starts der EU-Kampagne "Europa in meiner Region", die heuer von 9. bis 16. Mai in Burgenland und Vorarlberg stattfindet. (Luise Ungerboeck, 8.5.2019)