Plakatslogans wie "Gutes Klima? Beginnt mit Dir!" und "Für die digitale Hochschule!" zeigen, dass es wieder so weit ist: Vor der Wahl zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) von 27. bis 29. Mai werben neun Fraktionen bundesweit mit Plakaten um Stimmen und machen für ihre Anliegen mobil.

Schilderwald vor der Universität Wien
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Mit klassischen Dreiecksständern zu ebener Erde, aber auch mit Tafeln, die hoch oben auf Bäumen angebracht sind, kämpfen die Kandidaten um die Aufmerksamkeit der Studierenden. Doch wie relevant sind Wahlplakate heute noch – neben Social Media und Ständen, an denen gratis Kaffee und weißer Spritzer ausgeschenkt wird?

Yussi Pick ist Kampagnen- und Kommunikationsberater. In seiner Studienzeit war er Pressesprecher der ÖH-Bundesvertretung. Für die ÖH-Wahl sei die Bedeutung der Plakate mittlerweile gesunken, ist er sich sicher. "Außerdem handelt es sich um ein teures Unter fangen." Je nach Wahlkampfbudget liegen sich die Kosten dafür trotzdem schon einmal im vierstelligen Bereich.

Digitale Zielgruppe

Auch Georg Feichtinger, Kreativchef der Werbeagentur Heimat, die unter anderem für Neos oder Global 2000 gearbeitet hat, schreibt den Online-Aktivitäten der Fraktionen weitaus größeren Einfluss zu. "Man hat bei den ÖH-Wahlen die digitalste Zielgruppe, die man als Partei nur haben kann", sagt er.

Trotzdem sei das Plakat als traditionsreiches Kommunikationsmittel im Wahlkampf unverzichtbar – da sind sich der Werber und der Politikberater Pick einig. Letztlich gehe es dabei um Präsenz. Vorausgesetzt, die Gestaltung ist eindeutig, sagt Feichtinger.

Dem stimmt auch Pick zu: Ein gelungenes Plakat sollte herausstechen, klar kommunizieren, wofür eine Fraktion bei der ÖH-Wahl steht und wann sie stattfindet.

Klare Positionen

Doch entsprechen die Plakate der stimmenstärksten Fraktionen auch diesen Kriterien? Der Uni STANDARD hat zwei Werbern die Plakate jener fünf Fraktionen vorgelegt, die derzeit in der ÖH-Bundesver tretung die meisten Mandate innehaben.

Das Plakat der Junos.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Katharina Maun ist Kreativdirektorin bei Heimat und war mitverantwortlich für Alexander Van der Bellens Präsidentschaftswahlkampf. Das Wahlplakat der Jungen liberalen Studierenden (Junos) kommt bei ihr nicht gut weg. "So hat man Sex wahrscheinlich in den 1980er-Jahren dargestellt", beurteilt sie das Bild der Füße eines Pärchens, die unter der Bettdecke hervorlugen. Mit dem Slogan einer "befriedigenden ÖH" wollen die Junos überzeugen. Für sie wirke das Plakat wie der Versuch, herauszustechen. Professionell erscheinen die Plakate der Junos trotzdem, findet Feichtinger. Der einheitliche Look sorge für Wiedererkennungswert.

Zudem würden sie sich mit ihrer Forderung für nachgelagerte Studienbeiträge klar positionieren und sich damit von jenen Fraktionen abgrenzen, die gegen Gebühren auftreten. "Das Plakat präsentiert ein komplexes Thema als klare, kultivierte Diskussion", urteilt Feichtinger.

Nicht stimmig

Weniger stimmig scheinen den Werbern die in Dunkelrot gehaltenen Plakate der SPÖ-Studierenden, des Verbands Sozialistischer Student_innen (VSStÖ).

Der VSStÖ zeigt Spitzenkandidatin Dora Jandl.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Während das für ein Klassenkampfmotto typische Symbol der Faust mobilisieren soll, wirke die restliche Gestaltung brav, findet Katharina Maun. Für Feichtinger hat man sich mit dem Foto, das die Spitzenkandidatin Dora Jandl mit verschränkten Armen zeigt, in einer heute überholten Politikerdarstellung verloren: "Für die Nationalratswahl lässt sich niemand mehr in dieser altmodischen Pose ablichten, man will dynamisch wirken."

Harry-Potter-Sujet bei der Aktionsgemeinschaft.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Für Verwirrung sorgen die Plakate der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG) mit ihrer Forderung eines Studententickets. Die Bereitschaft, es mit einem Harry-Potter-Sujet kreativ und anders machen zu wollen, lobt Feichtinger zwar; trotzdem hält der Kreativchef es für einen Anfängerfehler, zu glauben, man wecke durch mysteriöse Inszenierungen Inter esse – das funktioniere nur mit einem Eyecatcher, den das Plakat nicht liefert. Maun kritisiert, dass man "null Verweis" auf die Wahl findet. "Das könnte genauso gut eine Werbung der Wiener Linien sein." Gerade bei der ÖH-Wahl mit ihrer schwindenden Wahlbeteiligung ginge es darum, Stimmen zu mobilisieren. Unabdingbar sei daher, das Datum der Wahl auf jedem Plakat zu vermerken.

Fehlende Erklärung

Bedacht haben das die Unabhängigen Fachschaftslisten Österreichs (Flö) bei ihrem Plakat, das Maun für klar aufgebaut hält.

Flö-Spitzenkandidat Desmond Grossmann plakatiert selbst.
Foto: Christian Fischer

Zu kritisieren sei aber, dass jegliche Erklärung fehlt, wer die vier Personen auf dem Plakat sind. Es bräuchte eine klare Botschaft, wofür die Liste steht und was sie im Wahlkampf verspricht: "Was tun die Personen hier? Tratschen? Diskutieren? Und wenn, dann worüber?", fragt Maun. Da dieses Sujet sehr dunkel gestaltet ist, könnte es – so wie jene des VSStÖ – in der Menge untergehen.

Die Gras-Kandidatinnen zeigen sich mit ihren Plakaten.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Das werden die Grünen und Alternativen Student_innen (Gras) mit ihrem Plakat, welches für Maun "viel von Revoluzzer hat", nicht zu befürchten haben. Damit stünden die Gras aber vielleicht vor dem Problem, das auch die Grünen hätten: ein Kernpublikum anzusprechen, aber keine neuen Zielgruppen zu mobilisieren. Feichtinger sieht dennoch einen Vorteil darin, dass man sie der ehemaligen Nationalratspartei zuordnet. Daher wüssten Studierende, wofür die ÖH-Liste in Grundzügen steht. Außerdem habe man sich eine Inszenierung für das Shooting überlegt: "Ich finde das Plakat sehr sauber und handwerklich gut gemacht", befindet Feichtinger.

Platz für Diskussion

Neben den fünf großen Listen kandidieren vier kleinere Fraktionen. Sie alle halten in der Bundesvertretung derzeit ein Mandat. Die schwarz-weißen Plakate der kommunistischen Listen KSV Lili und KSV_KJÖ gehen trotz dunkelroten Highlights etwas unter. Der blaue Ring Freiheitlicher Studenten (RFS)_schmückt seine Wahlwerbung mit einer Österreichfahne. Da seine Plakate oft verschwinden, hat sich der RFS bei der ÖH-Wahl 2017 sogar dazu entschieden, eine Sicherheitsfirma mit deren Bewachung zu beauftragen. Heuer hängte er sie in die Bäume. Die Spaßliste No Ma’am ist die Einzige, die vor fast allen Unis auf Plakate verzichtet.

Plakate hin oder her: Das Wichtigste in Wahlkämpfen bleibt laut Politikberater Pick dennoch weiterhin das persönliche Gespräch mit den Wählern. "Alle Aktionen, bei denen die Aktivistinnen und Aktivisten mit Studierenden sprechen, können am meisten beeinflussen." Die Spritzerstände und Bierzelte haben also auch weiterhin ihre Daseinsberechtigung. So schaffte es auch die Spaßliste No Ma’am, im Jahr 2017 in die Bundesvertretung einzuziehen. (Allegra Merceds Pirker, 12.5.2019)