Helmut Höge, "Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung". € 16,50 / 158 Seiten. Westend, Berlin 2018

Westend

Ernst Molden, "Das Nischenviech". € 20,60 / 176 Seiten. Deuticke, Wien 2019

Molden

Peter Iwaniewicz, "Menschen, Tiere und andere Dramen". € 22,- / 191 Seiten. Kremayr & Scheriau, Wien 2018

Kremayr & Scheriau
Rendezvous mit Tier und Mensch einmal anders – so wie in den drei besprochenen, etwas anderen Tierbüchern.
APA

Es sieht nicht gut aus für die Tier- und Pflanzenwelt auf unserem Planeten, wie der Weltbiodiversitätsrat am Montag verkündete: Von den geschätzt acht Millionen verschiedenen Spezies weltweit sind rund eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Darunter sind rund 40 Prozent der Amphibienarten oder mehr als ein Drittel aller Säugetierspezies, die im Meer leben.

Diese dramatischen Nachrichten kommen nicht ganz überraschend: In der Forschung geht man längst davon aus, dass wir uns mitten im sechsten großen Artensterben befinden. Das letzte fand vor 66 Millionen Jahren statt, ging auf einen Asteroideneinschlag zurück und raffte unter anderem die Dinosaurier dahin.

Diesmal ist es der Mensch, der dafür verantwortlich ist, dass die Natur – nicht zuletzt in unseren Breiten – im Frühling etwas stiller geworden ist, dass deutlich weniger Insekten flattern, summen und brummen und entsprechend auch weniger Vögel zwitschern.

Paradoxerweise ist auch in den biologischen Wissenschaften ein Artensterben zu beobachten: Die organismischen Zoologen, die noch "ganze" Tiere beobachten, gehören selbst zu den bedrohten Forscherspezies: Das Gros der heutigen Lebenswissenschafter befasst sich mit den genetischen, molekularen, theoretischen oder evolutionären Aspekten, meist nur anhand eines einzigen Modellorganismus im Labor.

Der Kulturkritiker und Tieressayist

Dennoch – oder gerade wegen dieses doppelten Verlusts an Tieren und deren professionellen wissenschaftlichen Beobachtern – boomte in den letzten Jahren der Tierbuchmarkt. Oft genug sind es keine professionellen Zoologen, die zu Faunistikern wurden, wie zum Beispiel Helmut Höge, der nach einer bunten Karriere als 68er, Tierpfleger oder landwirtschaftlicher Betriebshelfer immerhin im Jahr 2002 mit 55 ein Biologiestudium begann.

Hauptberuflich ist Höge seit vielen Jahren Journalist bei der Berliner "Taz", wo er das Feld der Kultur- und Naturkritik mit wunderbaren Kolumnen beackert, sowie Autor zahlreicher Bücher. Sein jüngstes Werk "Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung" versammelt Höges Tiertexte, Staunenswertes über verschiedenste Spezies – konkret: von Ameisen bis Zitteraalen, die gut 30 Texte sind nämlich alphabetisch angeordnet.

Höges Tierporträts sind funkelnde kleine Essays, die mühelos aktuelle Erkenntnisse der Zoologie mit alten und neuen philosophischen und sozialwissenschaftlichen Theorien verbinden. Der Kreuz-und-quer-Denker Höge streut aber auch einige kultur- und wissenschaftskritische Botschaften ein und schreckt sogar vor der Kritik an einer allzu verzweckten Evolutionstheorie nicht zurück.

Dazu beeindruckt dieses vor Esprit strotzende Bändchen durch Höges Florilegium ausgesuchter Zitate, die allein schon den Kauf rechtfertigen. Das vorletzte stammt vom Philosophen Hans Blumenberg und wirft noch einmal einen neuen Blick auf das Artensterben: "Auch ohne naturschützerische Gebärde muss gesagt werden, dass eine Welt ohne Löwen trostlos wäre."

Tierische Lokalreportagen

In jeder Hinsicht bodenständiger als Höges zoologisch-philosophische Abhandlungen sind die faunistischen Betrachtungen von Ernst Molden, der hierzulande vor allem als Musiker und Autor Berühmtheit erlangt hat. Weniger bekannt ist, dass der Sohn des Verlegers und Widerstandkämpfers Fritz Molden früher einmal Zoologe wie Konrad Lorenz werden wollte, sich in der Jugend als Hobbyherpetologe betätigte und noch als Erwachsener einen Afrikanischen Ochsenfrosch namens Orson hielt.

Diese Liebe zu den Tieren und Moldens literarisch-journalistisches Talent, das er als Lokalreporter bei der Zeitung "Die Presse" kultivierte, gehen im Band "Das Nischenviech" eine gelungene Synthese ein. Anders als bei Höge ist der Ausgangspunkt von Moldens Tierporträts in den meisten Fällen das eigene Naturerleben, das im Wesentlichen in Biotopen in und um Wien stattfindet.

Schnell hintereinander gelesen sieht man es den 80 "Wilden Tieren meines Lebens" (so der Untertitel) aufgrund einiger Redundanzen ein wenig an, dass sie ursprünglich als Kolumnen im "Universum Magazin" und in monatlichem Abstand erschienen sind. Moldens Wiener Schmäh, aber auch seine fast schon franziskanische Verbundenheit mit allem, was kreucht und fleucht, machen das Büchlein aber zu einem erstklassigen Naturverführer für urbane Anfänger und angehende Artenschützer.

Zoologische Medienkritik

Der österreichische Doyen der zoologischen Kolumnistik ist fraglos Peter Iwaniewicz. Bereits seit über einem Vierteljahrhundert erscheinen die Glossen des promovierten Biologen unter dem Titel "Tier der Woche" in der Wiener Stadtzeitung "Falter", die selbst wieder nach einer Ordnung der Insekten benannt ist und einen seltsamen Hybrid aus Schmetterling und Greifvogel zum .

Mehr als 20 Jahre nach seinem "Erstling Bambi, Sau und Zeitungsente", der damals ausgewählte "Tier der Woche"-Kolumnen versammelte, ist der in der Zwischenzeit zum Ministerialrat gereifte Iwaniewicz abermals unter die Buchautoren gegangen. Zwar kreisen auch die zehn Kapitel von Menschen, Tiere und andere Dramen um die Beziehungen von Tier, Mensch und Medien.

Doch statt bereits erschienene Texte zu kompilieren, hat er zehn Essays geschrieben, in denen er querbeet durch das Tierreich führt und mit allerhand Wissenswertem aufwartet – vom Biss des Krokodils bis zum würfelförmigen Wombatkot.

Das tun andere Tierbuchautoren auch, aber kaum einem gelingt das in einem ähnlich launig-lässigen Plauderton wie Iwaniewicz, der den Leser auf seinen zoologischen Exkursionen en passant und etwas hinterfotzig auch noch zu so manchen menschlichen und medialen Abgründen mitnimmt. (tasch, 10.5.2019)