Auf dem Küniglberg wuselt es am Mittwochabend. Geschäftige Menschen laufen mit Listen herum, verteilen Bänder, haken Anwesenheiten ab. Menschen mit ernsten Gesichtern eilen durch die Gänge, hektisches Geflüster allenthalben. Man wundert sich ein wenig: All diese Aufregung wegen der Zweierduelle mit den EU-Spitzenkandidaten? Ja! Na ja. Nicht ganz.

Eigentlich sind es die "Dancing Stars". Proben für das große Finale am Freitagabend, mit Kostümen, Ballfrisuren, allem Drum und Dran. Auf dem Weg in die "Maske" zwängt man sich an Stangen vorbei, voll behängt mit bunten Kleidern aus Taft, Seide, Pailletten, Glitzer, Tütüs, Schimmer. Man begreift: Der Glamour wohnt in der Garderobe nebenan.

Eine Vision ...

Während die Stylistin gekonnt Falten überschminkt, beschleicht einen die Vision: Was wäre, wenn sich alle EU-Spitzenkandidaten geschlossen zu den Dancing-Stars-Proben verliefen, wenn sie quasi im falschen Programm tanzten? Othmar Karas, aufrecht und korrekt, interpretiert den Wiener Walzer; Andreas Schieder probiert eine Rumba und achtet darauf, sein Tanzquadrat nicht zu verlassen. Harald Vilimsky legt entschlossen eine zackige Polka aufs Ballroom-Parkett.

Der Ballroom am Küniglberg ...
Foto: ORF / Hans Leitner
... und das EU-Wahlstudio haben durchaus Gemeinsamkeiten. Zumindest oberflächlich betrachtet.
Foto: ORF / Hans Leitner

Claudia Gamon zeigt dem Publikum ihre Version des Cha-Cha-Cha in Sneakers, während Werner Kogler mit aufgekrempelten Ärmeln zur "Dance-Battle" fordert. Und schließlich Johannes Voggenhuber mit einem Twist, der an alte Zeiten erinnert. Die Journalisten sitzen am Rande des Geschehens und halten am Ende Taferl mit Noten hoch (das ginge sogar noch schneller als Kurz-Analysen der Politiker-Auftritte in 30 Sekunden).

Aber nein: Alle finden in die richtigen Schminkräume und ins hell ausgeleuchtete EU-Wahl-Studio, obwohl so mancher vorher einen Abstecher in den Dancing-Stars-Ballroom macht, Selfie-Video inbegriffen.

Hier geht es profaner zu als bei den Tanzprofis drüben, das Motto lautet: immer zwei Kandidaten, Aug in Aug, Jeder gegen Jeden. Oder, wie das ModeratorInnen-Team Lou Lorenz und Martin Thür elegant einleitet: "Zwei im Gespräch".

Die Bühne ist kein glattes Parkett, sondern ein Podest, auf dem nur alle zwölf Minuten die Position gewechselt wird. Handelte es sich um eine Tanzveranstaltung – es wäre rechtschaffen fad. Aber es geht um "Europa der Zukunft" (Karas); "Gerechtigkeit" (Schieder), "rot-weiß-rot nach Europa" (Vilimsky), "EU-Pass, EU-Armee" (Gamon), "Kampf dem Klimawandel" (Kogler), Kampf wie früher immer (Voggenhuber).

Das Publikum, von den Parteien nominiert, vom ORF durcheinander gewürfelt, versammelt sich vor Sendungsbeginn in Stille und bleibt es auch. Am Schluss, nach zwei Stunden Zweiergesprächen, sieht das schon ein wenig nach Ermattung aus. Die Luft ist trocken, aber es riecht wenigstens gut. Die neu erbaute Studiokulisse verbreitet den Duft frisch geschnittenen Holzes.

Politischer Wanderzirkus

Auf der Bühne bleibt jeder in seiner Rolle, sagt die Dinge, die er immer sagt, verharrt in seinem politischen Tanzbereich. Nur Harald Vilimsky gibt, einigermaßen überraschend, den Tierschützer und Gentleman. Aber vielleicht ist er auch nur müde und sehnt sich danach, Hund und Katze zu streicheln.

Die Kandidaten müssen Kräfte sparen, schließlich sieht man einander bald wieder, bei der nächsten Veranstaltung, der nächsten Konfrontation, dem nächsten Streitgespräch. Es ist wie immer vor Wahlen: ein politischer Wanderzirkus von TV-Auftritt zu TV-Auftritt. Nüchternes Business as usual. Kein Glitzer, kein Schimmern, kein Ballroom-Glamour. Schade eigentlich. (Petra Stuiber, 9.5.2019)