Da ist kein Fleisch: Das Laibchen in diesem Burger besteht aus Pflanzen.

Foto: beyond meat

Tiere zu züchten, sie mit Unmengen an Pflanzen zu füttern, um sie dann zu verspeisen – das könnte bald ein Ende haben. Oder zwei: Denn in der Postfleischgesellschaft können wir Pflanzen essen, die wie Fleisch aussehen – oder Fleisch verzehren, das nicht von Tieren, sondern aus dem Labor stammt. Derzeit scheint die erste Variante vielversprechender. In den USA spitzt sich etwa gerade ein Zweikampf um die Marktmacht beim Fleischersatz zu: Während Impossible Foods bis Ende des Jahres alle US-Filialen von Burger King mit veganen Burgern beliefern will, sammelte Konkurrent Beyond Meat Milliarden an Risikokapital ein.

Was steckt drin ...

Um tierisches Protein zu ersetzen, muss pflanzliches Protein her: Dafür kommen etwa Linsen, Bohnen, Erbsen oder Soja infrage. Das trübe, schnell schmelzende Rinderfett wird etwa durch Kokosfett imitiert. Damit der Burger beim ersten Schnitt zumindest optisch "saftelt", lassen manche Hersteller ihr Fleisch mit Saft aus Roten Rüben bluten. Bei Impossible Foods ist man hingegen stolz auf "Häm", einen Bestandteil des Blutfarbstoffs Hämoglobin, der im Labor nachgebildet wurde.

Ohne Blut geht's nicht: Rote-Beete-Saft und nachgebaute Blutfarbstoffe sorgen für die Fleischesröte.
Foto: impossible foods

... und wer dahinter?

In den Food-Start-ups steckt viel Geld. Beyond Meat wurde beim Börsengang letzte Woche sofort mit vier Milliarden Dollar bewertet – mehr als doppelt so viel wie erwartet. Microsoft-Gründer Bill Gates investiert ebenso in Fakefleisch-Unternehmen wie Hollywoodstar Leonardo DiCaprio oder die Gründer von Twitter und Google.

Auch die konventionelle Fleischindustrie hat den Braten gerochen: Tyson Foods, größter Fleischproduzent der USA, und der Schweizer Fleischverarbeiter Bell haben viel Geld in die pflanzliche Konkurrenz gebuttert, und die österreichische Leberkäsefirma Neuburger produziert seit Jahren vegetarische Würstchen.

Aber schneidet sich die Branche damit nicht ins eigene Fleisch? Nein – denn die Weiterverarbeitung von pflanzlichem Eiweiß sei der von Fleisch recht ähnlich, sagt Konrad Domig von der Boku Wien, der in einem EU-Projekt zu Fleischersatz geforscht hat. Die betrieblichen Strukturen müssen also nicht umgebaut werden.

Was tut sich beim Laborfleisch?

Während die großen Pflanzenfleischhersteller mit saftigen Burgern werben, kennt man Laborfleisch bisher nur aus eher unappetitlichen Videos im Internet: Menschen in weißen Kitteln und blauen Plastikhandschuhen nehmen Fleischklümpchen aus Petrischalen und quetschen sie in Form. Das ist nicht ganz unstimmig. Laborfleisch war ursprünglich ein Nebenprodukt der Stammzellenforschung und dazu gedacht, menschliche Organe außerhalb des Körpers wachsen zu lassen. 2013 verkostete die österreichische Ernährungswissenschafterin Hanni Rützler den ersten Laborburger.

Ihr Urteil damals: fad und trocken, trotz des saftigen Preises von rund 250.000 Euro (Pommes und Cola noch nicht inkludiert). Inzwischen ist der Preis auf 550 Euro gesunken. Fällt er in diesem Tempo weiter, könnte der Laborburger bald Marktreife in Restaurants erlangen.

Laborfleisch – hier im "Disgusting Food Museum" in Los Angeles.
Foto: APA/AFP/ROBYN BECK

Wann kriege ich mein großes Steak?

Das wird noch etwas dauern. Sowohl Pflanzen- als auch Laborfleischhersteller tun sich mit Filetstücken noch schwer. Im Labor wachsen bisher nur kleine Fleischfetzen, die gerade für Faschiertes reichen. Filets bestehen aber aus großen Muskeln – und die bekommt man bekanntlich nur durch Training (im Fitnessstudio, auf der Weide) und nicht durch faules Rumliegen (auf der Couch, in der Petrischale). Das Laborfleisch müsste also mechanischen Belastungen ausgesetzt werden. Ob das für die Hersteller wirtschaftlich sein kann, gilt als unsicher.

Trotzdem wagen sich einige an die Königin der Fleischteile heran. Ende vergangenen Jahres stellte das israelische Unternehmen Aleph Farms das angeblich erste im Labor gezüchtete Steak vor. Bei eingefleischten Gourmets dürfte sich die Freude aber in Grenzen halten. Gerade einmal fünf Millimeter dick ist das Stück, die Struktur mit jener eines Filetsteaks nicht vergleichbar.

Wall Street Journal

Kann man nicht einfach fleischlos glücklich sein?

Schon. Es gibt ja auch Millionen glückliche Vegetarier und Veganer. "Aber nur eine sehr kleine Gruppe isst länger etwas aus reiner Überzeugung", sagt Konrad Domig. Auch treibe es traditionell eher vegetarische Nationen wie China und Indien mit wachsendem Wohlstand zum Fleisch hin.

Schon jetzt ist die Fleischproduktion für ein Fünftel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich und verbraucht ein Drittel der weltweiten Agrarflächen. Kann man den Fleischessern zumindest ein bisschen Fakefleisch unterjubeln, ist das ein Gewinn für die Umwelt. (Philip Pramer, 12.5.2019)

In immer kürzerer Zeit immer mehr leisten zu müssen, führt bei vielen Menschen zu Entfremdung und innerer Leere. Warum das so ist und wie wieder Resonanz entstehen kann, erklärt Soziologe Hartmut Rosa in unserem Podcast.