Für das Foto eine harmonische Familie, hinter den Kulissen wird aber um die EU-Topjobs gestritten.

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Weil sie die Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien nicht bekämpfe, sondern Korruption durch Spezialgesetze sogar noch fördere, kam die rumänische Regierung monatelang unter Druck der EU-Partner. Die Durchführung ihres EU-Ratsvorsitzes war davon seit Jahresanfang belastet. Beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs von 27 Ländern (ohne die Britin Theresa May) am Donnerstag im transsilvanischen Sibiu/Hermannstadt konnte davon keine Rede sein.

Die seit Jahrhunderten von einer starken deutschen Minderheit geprägte Stadt zeigte sich ihren Gästen im historischen Zentrum von ihrer Butterseite. Staatspräsident Klaus Iohannis, der hier früher Bürgermeister war, hatte alle Zeichen auf eine bessere, optimistische Zukunft ausrichten lassen.

Schatten Brexit

Der ungelöste Brexit liege zwar wie "ein Schatten" über der Union. Es gehe aber darum, für die Bürger eine neue Perspektive des Aufbruchs der EU zu schaffen. Die Regierungschefs kamen dem mit einer "Erklärung von Sibiu" nach, in der sie pathetisch eine neue Ära der Zusammenarbeit versprechen: "Wir werden ein Europa verteidigen, von Osten nach Westen, von Norden nach Süden."

Vor 30 Jahren hätten Millionen Menschen für ihre Freiheit gekämpft, den Eisernen Vorhang zu Fall gebracht. "Wir bleiben geeint, durch dick und dünn", ließen die EU-Spitzen dichten; eine Selbstbeschwörung: "Wir werden immer gemeinsame Lösungen suchen, aufeinander im Geiste der Verständigung und des Respekts hören". Bundeskanzler Sebastian Kurz trug seine Initiative für eine Reform der EU-Verträge vor, über die es am Ende ein gesamteuropäisches Referendum geben soll. Der Kanzler verlangte auch "einen Generationenwechsel" bei der EU-Führung.

Spaltung

Wie tief die Staaten etwa bei der Migration, dem Kampf gegen die Steuerbetrug, bei Maßnahmen zu Klimaschutz oder Energiestrategie gespalten sind, wurde verdrängt. EU-Ratspräsident Donald Tusk ließ die langfristige Strategie für die kommenden fünf Jahre debattieren. Die EU-27 wollen für mehr Sicherheit und Freiheit sorgen, ihre soziale Marktwirtschaft stärken, aber auch den Einfluss in der Welt, wenn es um den Erhalt des Wohlstandsmodells, des Rechtsstaats, der europäischen Werte geht.

Im Hintergrund dominierte freilich ein handfesteres und banaleres Thema um Macht und Einfluss in der kommenden Legislaturperiode bis 2024. Neben der Nachbesetzung für Tusk und die im November scheidende Außenbeauftragte Federica Mogherini steht die Besetzung des nächsten Kommissionspräsidenten nach Jean-Claude Juncker an.

Als Favoriten gelten der Christdemokrat Manfred Weber und der Sozialdemokrat Frans Timmermans. Sie wurden von ihren Parteifamilien EVP und S&D als EU-weite Spitzenkandidaten aufgestellt, ihre Parlamentsfraktionen wollen nur jemanden an die Kommissionsspitze wählen, der bei der EU-Wahl kandidierte. Die liberalen Regierungschefs von Luxemburg, Belgien oder den Niederlanden stellten, angeführt von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, dieses Modell aber offen infrage. Man lehnt es ab, weil es keine transnationalen Listen gebe. Auch der griechische Premier Alexis Tsipras von der Linkspartei Syriza sagte Nein zu Weber, der ein Neoliberaler sei.

Sie alle beharrten darauf, dass der Europäische Rat sich vom Parlament nicht vorschreiben lasse, wer Chef der Kommission werde. Die EVP-Premiers wie die der Sozialdemokraten hielten dagegen, verteidigten den "demokratischen Fortschritt". Bei einem EU-Sondergipfel am 28. Mai soll über das "große Personalpaket" der EU-Topjobs beraten werden.

Thema Iran-Deal

Ein weiteres Thema war die Verschärfung der Lage im Iran (siehe S. 4), nachdem nach den USA auch die Regierung in Teheran angekündigt hat, aus dem Nuklearabkommen teilweise auszusteigen. Die Europäer wollen den Deal retten. Mogherini zeigte sich besorgt, die Union bleibe der Umsetzung des Abkommens verpflichtet.

Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite sagte in Sibiu, wenn der Iran sich zurückziehe, stehe man wieder am Anfang der Bemühungen zur Verhinderung der nuklearen Bewaffnung des Iran. Kanzler Kurz meinte, außer einem weiteren Bekenntnis zum Atomabkommen hätte die Union aber nicht viele Möglichkeiten. (Thomas Mayer aus Sibiu, 9.5.2019)