Poster auf der Türe zur "Diagonal"-Redaktion: Der abgebildete "Supermarché" steht in der Avenida Diagonal in Buenos Aires.

Foto: U. Hummel / ORF

Exakt 114 Minuten und 45 Sekunden wird die Diagonal-Sendung am kommenden Samstag dauern – im Vergleich zur gängigen Medienkost mit ihren Mini-Soundbites, Kurznews und sonstigem Informations- und Unterhaltungshäcksel ein Format von gigantischem Ausmaß.

"Ich halte das für eines der außergewöhnlichsten Radioformate, die mir zumindest untergekommen sind. Wo gibt es schon Sendungen, die nahezu zwei Stunden dauern?", wird der Philosoph Konrad Paul Liessmann, ein, wie er sich selbst bezeichnet, "fanatischer Ö1-Hörer", in seiner Grußadresse zu Diagonals 35. Geburtstag sagen.

Und weiter: "Die Art und Weise wie hier Wort- und Musikbeiträge gemischt werden, ist großartig. Das zeigt sich bei den Themensendungen – wie da Fragen oder Probleme gesellschafts- oder kulturpolitischer Natur von vielen Seiten behandelt werden, das habe ich von Beginn an außerordentlich gefunden. Und dann die akustischen Stadtporträts: Das war für mich eine echte Innovation, eine sensationelle Eröffnung von Hörmöglichkeiten auf Metropolen – und immer eine ungeheure Bereicherung."

Journalistische Spitzenleistungen

Am 19. Mai 1984 ist die erste Ausgabe von Diagonal – Radio für Zeitgenossen in Ö1 auf Sendung gegangen. 35 Jahre später, im Mai 2019, können die Radiomacher eine Bilanz vorweisen, die sich hören lassen kann: 1600 zweistündige Sendungen haben sie geschrieben und produziert, rund 3200 Radiostunden oder 140 ganze Tage – prall gefüllt mit Personen- und Themensendungen, Magazinen und Stadtporträts, in denen Memphis, Nairobi und Rio de Janeiro dieselbe liebevolle Aufmerksamkeit gewidmet wurde wie Ottakring und Entenhausen.

Professionell gesehen ist der Schreiber dieser Zeilen ungefähr gleich alt wie Diagonal. Seit Mitte der 80er-Jahre arbeite ich als überzeugter Print-Journalist. Ich habe aber die Ehre und das Vergnügen, gelegentlich bei Diagonal mitarbeiten zu dürfen, und kenne daher den Spirit jener, die für die Sendung verantwortlich sind: ihr Engagement, ihre Kreativität, ihren Ernst und ihren Schmäh.

Diagonal erbringt den schönsten Beweis für die journalistischen Spitzenleistungen, zu denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk fähig ist, wenn man ihn denn ausreichend würdigt und alimentiert.

Links und rechts rattern die "Blödmaschinen", wie das die beiden Autoren Markus Metz und Georg Seeßlen genannt haben: Medien, Politiker und andere gesellschaftliche Akteure, die wollen, dass wir es uns in der Dummheit gemütlich einrichten. Diagonal ist all die Jahre hindurch eine Klugmaschine geblieben, die mit intelligenten Hörern rechnet und auf Augenhöhe (Ohrenhöhe?) mit ihnen verkehrt.

Ein Grund mehr, all jenen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich aus fadenscheinigen politischen Gründen den Garaus machen wollen, Widerstand entgegenzusetzen.

Im "Diagonal"-Special am Samstag, 11. Mai 2019, 17.05 Uhr sind die beiden Gründerfiguren Wolfgang Kos und Michael Schrott Gäste des aktuellen Teams. Eine, wie es in einer Aussendung heißt, "gar nicht wehmütige, sondern durchaus wohlgelaunte Erinnerung".(Christoph Winder, 11.5.2019)