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Basra: Persisch sprechen, mit Rial zahlen – das ist im Südirak üblich. Mit Bewunderung fürs iranische System ist das nicht gleichzusetzen.

Foto: Reuters / Essan Al Sudani

Inmitten der jüngsten US-iranischen Zuspitzung, kurz bevor der Iran erstmals ernsthaft damit drohte, den Atomdeal hinzuschmeißen, besuchte US-Außenminister Mike Pompeo am Dienstag den Irak: nicht wie sein Chef Donald Trump vorigen Dezember fast heimlich nur die US-Truppen auf dem Stützpunkt Ain al-Assad, sondern um offiziell in Bagdad mit der irakischen Regierung zu sprechen. Wobei die Wiedergabe der Gespräche von beiden Seiten auffällig unterschiedlich ausfiel.

Die Iraker hätten "versichert, dass sie ihre Verantwortung verstehen", sagte Pompeo danach; nämlich "Amerikaner in ihrem Land entsprechend zu schützen": Gemeint ist gegen die Iraner und gegen schiitische Milizen. In der irakischen Stellungnahme war hingegen nur eher kühl von einer Diskussion der bilateralen Beziehungen und der Sicherheitslage in der Region die Rede.

Besinnung auf die Identität

Eine amerikanisch-iranische Eskalation ist eine potenzielle Tragödie für den Irak. Das Land ist 16 Jahre nach dem Sturz von Saddam Hussein politisch dabei, die große konfessionelle Spaltung zu überwinden, die 2006 der Brandbeschleuniger für den Bürgerkrieg und 2014 für den Aufstieg des "Islamischen Staats" (IS) war. In weiten Teilen des Landes hat sich das Leben normalisiert, Bagdad wird langsam wieder zu einer offenen, lebhaften Stadt. Die Menschen sind an Sachpolitik und Dienstleistungen interessiert und besinnen sich auf ihre "irakische" Identität abseits von anderen Zugehörigkeiten.

Dabei ist die Gefahr durch den IS nicht vorbei, wie ein großes Attentat am Donnerstag zeigt: in Sadr-City, also gezielt gegen Schiiten gerichtet. Und bei diesen wiederum besteht die Gefahr, dass sie sich von der iranischen Behauptung mobilisieren lassen, dass die von Israel und Saudi-Arabien mitgetragene US-Politik gegen den Iran im Kontext einer großen regionalen Auseinandersetzung zu sehen ist.

Da können vernünftige Politiker noch so sehr appellieren, dass der Irak nicht zum Austragungsort des iranisch-amerikanischen Konflikts werden darf. In der Politik ist er das schon: Eine Folge ist, dass die wichtigen Posten des Innen- und des Verteidigungsministers – in einem Land, das gerade erst einen Krieg überwunden hat – fast ein Jahr nach den Wahlen noch immer unbesetzt sind. Die Anti-Iran-Fraktion hatten einen Vorschlag abgelehnt, der einen Iran-freundlichen Innenminister, einen ehemaligen Milizenführer, bestellt hatte. Seitdem besteht ein Patt, das der ausgleichende, aber nicht sehr starke Premier Adel Abdul Mahdi nicht zu überwinden imstande ist.

Gut 5000 US-Soldaten

Gut 5000 US-Soldaten sind im Rahmen eines strategischen Abkommens im Irak (plus zirka 3000 Personen zusätzliches Personal). Er braucht diese militärische US-Präsenz: um die irakische Armee, die sich erst im Kampf gegen den IS in den letzten Jahren professionalisiert hat, weiter aufzubauen und um den IS in Schach zu halten.

Genauso braucht der Irak jedoch die Iraner, vor allem wirtschaftlich: Dass das sogar die US-Regierung einsieht, schlug sich Ende März in einem "waiver" nieder, der dem Irak weiter erlaubt, im Iran Gas und Strom zu kaufen. Allerdings läuft er im Juni aus. Ohne diese Importe würde die Energieversorgung – und die öffentliche Ordnung, wie im Sommer 2018 an den Massenprotesten in Basra zu sehen – im Sommer im Südirak zusammenbrechen.

Der Iran hat bereits nach 2003 im Irak gezündelt und schiitischen "Widerstand" gegen die USA geschürt: Der Unterschied zu damals ist, dass heute die Iran-freundlichen und -unterstützten Gruppen nicht nur einfach Milizen, sondern auch prominent in der Politik vertreten sind.

Iran-kritische US-Feinde

Bei den Wahlen im Mai 2018 wurden die Allianz dieser Milizvertreter zweitstärkste Kraft im Parlament. Ihr Ansehensgewinn hatte mit ihrem Einsatz gegen den IS zu tun. Und die Wahlsieger, die Schiiten von Muqtada al-Sadr, sind zwar nicht Iran-freundlich – aber entschieden US-feindlich. Eine erste stärkere Anti-US-Welle im Parlament rief Trump hervor, als er bei seinem Irak-Besuch das irakische Protokoll missachtete und danach sagte, die US-Truppen müssten im Irak bleiben, "um den Iran zu beobachten". Außerdem ließ er anklingen, dass die US-Truppen vom Irak auch aus Operationen in anderen Ländern durchführen könnten.

Die zweite anti-amerikanische Bewegung im Parlament – mit Gesetzesvorschlägen, die den Abzug der USA verordnen würden – kam, als Washington im April die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) auf die Terrorliste setzten: Der Chef der IRGC-Auslandseinheit al-Qods, Ghasem Soleimani, ist bei den Iran-affiliierten Milizen ein Idol. Dementsprechend aggressiv waren die Drohungen von Milizenführern, die ja ihrerseits zum Teil auf der US-Terrorliste stehen. Die Iraner haben die US-Truppen im Nahen Osten – also auch die im Irak – auf eine iranische Terrorliste gesetzt, weshalb die USA Angriffe von vom Staat nicht kontrollierten Milizen haben. (Gudrun Harrer, 12.5.2019)