Wer am Herkules-Hafen in Monaco anlegt, eifert dem griechischen Sagenhelden nach. Eine Yacht größer und stärker als die andere. Ebenjener Herkules hat auch die goldenen Äpfel der Hesperiden eingesammelt. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sie im Fürstentum auftauchen. Vielleicht ist die Formel E am vergangenen Wochenende deshalb hier gefahren. Die Äpfel bescherten den Göttern ewige Jugend.

Die Rennserie der Elektroautos steckt hingegen noch in den Kinderschuhen, in der fünften Saison. "Wir wollen anders sein", sagt Mitgründer Alberto Longo. Das Hauptproblem: Die ständigen Vergleiche mit der Formel 1, der Königsklasse im Motosport. In Monaco bieten sich diese umso mehr an, zählt der Stadtkurs doch zu den F1-Klassikern. In zwei Wochen steht sein 90-jähriges Jubiläum an.

Ein großer Schatten, der die Formel E verfolgt. Fragt man in Souvenirshops nach Fanartikeln, erntet man nur ein unschuldiges Lächeln. Die Läden quillen vor F1-Klumpert über. Aber doch, da! Zumindest ein obligatorisches Werbeplakat. Auf der Tür zum Hinterkammerl.

Von dort holt sich Monaco auch die Arbeitskräfte. Rund 40.000 Menschen pendeln täglich ins Fürstentum, das selbst nur 38.000 Einwohner hat. Der Stadtstaat gilt als Bauchnabel der Gegend. Hinter den Bergen ist man schnell in Italien. In 20 Metern Entfernung wartet Nizza. Viele Arbeiter wohnen dort. Denn die Preise in Monaco liegen jenseits ihrer Geldbörse und der Vorstellungskraft des Normalsterblichen.

Am Hafen.
Foto: FIA Formula E

Zufällig an einem Maklerbüro vorbeigeschlendert – sofort blass. 128 Quadratmeter für 6.300.000 Euro. Kein Tippfehler, versprochen. 1,3 Mille für 52 Quadratmeter einer anderen Anzeige betreffen wohl das Armenviertel. Keine Milliardäre mehr, nur noch Millionäre. Ein hartes Schicksal. Hier wohnt schlichtweg die Creme de la Creme. Beim Abendessen kann schon mal Paul Belmondo aufkreuzen, der Sohn von Filmlegende Jean-Paul Belmondo. Deshalb passt die Formel eins perfekt hierher. Sie bildet die Elite im Motorsport. Teams werfen mit Geld um sich.

Dieses hätte die Formel E auch gerne. Noch macht die Rennserie Verluste. Zwar nehmen Sponsoren zu, bringen fragwürdige Deals mit Saudi-Arabien Geld rein, aber die öffentliche Resonanz hat noch Luft nach oben. 2018 besuchten im Schnitt 81.000 Zuschauer den Rennsonntag der Formel 1. Die Formel E hält bei je 40.000. Ein Vergleich in Deutschland: Je 3,7 Millionen Leute (RTL) sahen die ersten drei F1-Rennen der Saison im Fernsehen, 113.000 in der Formel E (Eurosport).

Hoch oben.
Foto: FIA Formula E

Wie der Name einer Yacht ausdrückt: Das ist noch far far away, weit weg voneinander. Hier im Hafen stehen auch die Haupttribünen. Einem britischen Ehepaar ist das wurscht: "Wir sind hier auf Urlaub. Aber ist nicht demnächst die Formel 1?". Sie dürften noch nicht das Werbeplakat auf der Hinterkammerltür gesehen haben. Oder die Elektroautos überhört haben. Der Sound erinnert an ein UFO oder einen schrillen Staubsauger, mit bissl Tafelkratzen vereint.

Die Show steht im Vordergrund. Passt zu Monaco. Die Regeln der Rennserie setzen auf künstliche Spannung. Fans können per Abstimmung ihren Lieblingen zu Extra-Geschwindigkeit verhelfen. Weiters können Fahrer die Ideallinie verlassen, um ebenso Extra-Speed aufzugabeln und damit in den Attack Modus zu gehen. Das Qualifying startet in einer Gruppenphase. Die Besten der Gesamtwertung in der ersten Session, die schlechtesten zum Schluss. Als ob Marcel Hirscher im ersten Slalomdurchgang mit Nummer 30 starten müsste. Zu Beginn einer Session ist nämlich noch weniger Grip auf der Strecke, ein Nachteil. Die größtenteils einheitlichen Autos wirken als Kostenbremse, erschweren jedoch Aufholjagden. Die Folge: Acht verschiedene Sieger in acht verschiedenen Rennen. Bis Samstag in Monaco. Da sicherte sich Jean-Éric Vergne seinen zweiten Saisonsieg und ist nun auch Gesamtführender. Ein Start-Ziel-Erfolg in einem unspektakulären Spektakel. Aufgrund der schmalen Strecke ist es in Monaco immer schwer zu überholen. Auch in der Formel 1. Die Formel E-Autos sind nochmals breiter, nochmals weniger Chancen.

Mitten drin.
Foto: voestalpine

Auf dem kompletten F1-Kurs fährt die Formel E nicht. Die Steilfahrt hoch zum Casino und der Tunnel wurden ausgespart. Aus Sorge, die Batterie könnte die längeren Runde nicht durchhalten. Vergne vergleicht das mit einem "Restaurant, das drei Michelin-Sterne hat. Dann kommt ein Kunde und bestellt nur einen Hamburger. Eine Schande".

Keine Schande ist der Hintergedanke der Formel E: Die Entwicklung von Elektroautos zu fördern. Der Sport setzt auf Nachhaltigkeit und selbst im Fahrerlager auf Recycling, beschäftigt er doch zahlreiche Ex-F1-Fahrer. In der Boxengasse sind keine Plastikflaschen erlaubt. Der Autor dieser Zeilen hatte unwissentlich eine mit, wurde jedoch nicht rausgeschmissen. Von dieser Seite sieht voestalpine-Chef Wolfgang Eder auch die Formel 1 unter Zugzwang: "Die wissen auch, dass sie so nicht weitermachen können. Sie setzen mittlerweile auf weniger CO2-Ausstöße".

Letztlich betonen aber alle Beteiligten, dass für beide Rennserien Platz sein soll. In Monaco wird bereits vorgesorgt. Dort schütten Bagger den Meeresboden auf, um Platz für mehr Wohnfläche zu kreieren. Groß denken ist in Monaco Usus. Wie bei Herkules. (Andreas Gstaltmeyr, 12.5.2019)