Da keine Impulse für ein zeitgerechtes Umweltverfahrensrecht gesetzt wurden, schufen Bund und Länder einen Dschungel an Sonderverfahrensrecht.

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Warum dauern Bewilligungsverfahren für die Genehmigung von Infrastruktur-, Energie- und Industrievorhaben oft so lange? Warum beschweren sich Antragsteller über mutwillige Verzögerungsaktionen der Projektgegner und zu langsame Behörden, die Projektgegner wiederum über mangelnde Transparenz im Verfahren und die Behörden über nicht ausreichende Projektunterlagen?

Dafür gibt es viele Gründe. Zunächst mal wird heute der Schutz der Umwelt ernster genommen als noch vor 20 Jahren. Und das ist gut so. Dieser zunehmenden Komplexität der inhaltlichen Anforderungen steht aber ein völlig veraltetes und in mittlerweile mehr als 100 Bundes- und Landesgesetze zersplittertes Verfahrensrecht gegenüber. Warum hier seit Jahrzehnten nichts weitergeht, können uns nur der Justizminister und sein für Verwaltungsverfahren zuständiger Verfassungsdienst beantworten.

Vier Korrekturen

Die soeben von Justizminister Josef Moser in Begutachtung geschickte Novelle des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts (AVG) ist vor diesem Hintergrund eine Enttäuschung. Mit gerade einmal vier Korrekturen im Detail wird neuerlich die Chance auf ein modernes Umweltverfahrensrecht verspielt.

Worum geht es? Sämtliche Anlagengenehmigungsverfahren werden im AVG einheitlich geregelt, sofern nicht die Notwendigkeit einer abweichenden Bestimmung gesehen wird. Da nun das AVG seit 21 Jahren keine Impulse für ein zeitgerechtes Umweltverfahrensrecht setzt, wurde durch Bund und Länder ein Dschungel an Sonderverfahrensrecht geschaffen.

Je nachdem, ob ein Projekt nun einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist, der Gewerbeordnung, dem Wasserrecht oder dem Landesnaturschutzrecht unterliegt, gelten für das Bewilligungsverfahren andere Regeln. Selbst Experten blicken hier nicht mehr durch.

Ein modernes Umweltverfahrensrecht sollte aber Transparenz für alle Verfahrensbeteiligten und flexible Instrumente der Verfahrensgliederung gewährleisten. Den Behörden und Verwaltungsgerichten sollte ein "Werkzeugkoffer" an Instrumenten zu Hand gegeben werden, die – je nach Größe und Komplexität eines Verfahrens – genützt werden können:

  • Kundmachung: Die Ausschreibung eines Genehmigungsantrags bzw. einer mündlichen Verhandlung sollte ebenso wie die Zustellung von Bescheiden auf einer einheitlichen und transparenten Internetplattform erfolgen.
  • Verfahrensgliederung: Einfache Verfahren kann man "im Stück" abhandeln, komplexe Verfahren sollen durch verfahrensgliedernde Fristen in "verdaubare Portionen" aufgeteilt werden können.
  • Verfahrensförderung: Alle am Verfahren beteiligten Parteien sind angehalten, die Behörden und Verwaltungsgerichte, z. B. durch gut aufbereitete Unterlagen und rechtzeitiges Vorbringen, bei ihrer Ermittlungstätigkeit bestmöglich zu unterstützen.

Die Versatzstücke eines modernen Umweltverfahrensrechts sind verstreut in mehr als 100 Umweltgesetzen bereits vorhanden. Was fehlt, sind eine Systematisierung im Sinne eines Best-of und die Umsetzung im AVG, um damit ein einheitliches Verfahrensrecht für Bund und Länder zu gewährleisten. Damit könnte der Spagat geschafft werden, mit einem Wurf den Interessen der Projektwerber, der Behörden und Verwaltungsgerichte, aber auch der an Transparenz interessierten Nachbarn und NGOs gerecht zu werden. (Martin Niederhuber, 15.5.2019)