Hinter dem Bündnis #KeinenMillimeter stehen Politikerinnen der SPÖ, der Grünen, der Liste Jetzt und verschiedenste Vereine.

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Irmgard Griss (Neos) und Lena Jäger.

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"Wir vertrauen Frauen. Vertrauen Sie Ihnen auch, geschätzte Regierung", heißt es auf der Website von #KeinenMillimeter.

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Eine verpflichtende Bedenkfrist für Frauen, bevor sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, und Einschränkungen bei den Spätabbrüchen – das sind die Forderungen der Petition #Fairändern. Vor einigen Wochen formierte sich mit dem Bündnis #KeinenMillimeter Widerstand gegen die Forderungen von #Fairändern, die die involvierten Politikerinnen und Aktivistinnen des Bündnisses als Angriff auf Frauenrechte verstehen. Lena Jäger vom Frauenvolksbegehren kritisiert, dass letzte Woche im Parlament eine weitere Behandlung von #Fairändern beschlossen wurde und dass die Anliegen einer weiteren Petition zum Thema Schwangerschaftsabbruch nicht ad acta gelegt wurden – obwohl sich diese für ein Totalverbot von Abtreibung ausspricht.

STANDARD: Was ist schlecht daran, weitere Stellungnahmen zur Petition #Fairändern einzuholen?

Jäger: Es wurde letzte Woche beschlossen, auch zu der Petition "Abtreibungsverbot in Österreich" weitere Stellungnahmen einzuholen, zu einer Petition, die nur 600 Menschen unterschrieben haben. Spätestens jetzt ist mehr als deutlich, dass es der Regierung nicht nur um den Spätabbruch geht.

STANDARD: Sondern?

Jäger: Ich glaube, das ganze Theater wurde angezettelt, damit sich die Stimmung dahingehend verändert, dass immer weniger Ärzte und Ärztinnen Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Wir sehen es an Deutschland, wo es de facto kaum Ärztinnen und Ärzte gibt, die Schwangerschaftsabbrüche machen. In Österreich sind es maximal zwei Handvoll, die Spätabbrüche mit Fetoziden durchführen. Es geht also darum, zu zeigen, wie sehr Spätabbrüche und Schwangerschaftsabbrüche generell geächtet sind. So wird die Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch aus Gewissensgründen nicht durchführen zu müssen, von Ärzten und Ärztinnen immer öfter ergriffen. Konservative Kräfte wie in Österreich vereinen sich auch in anderen Ländern.

STANDARD: Zum Beispiel?

Jäger: In Schweden kann man etwa als Ärztin oder Hebamme einen Schwangerschaftsabbruch nicht wegen Gewissensgründen ablehnen. Dort gibt es die klare Haltung: Wenn du nicht damit umgehen kannst, dann kannst du nicht als Arzt oder Hebamme arbeiten. Jetzt haben aber zwei Nonnen beim Europäischen Gerichtshof das Recht eingeklagt, einen Schwangerschaftsabbruch doch wegen Gewissensgründen ablehnen zu dürfen. Genau so, wie es in Ländern wie Österreich der Fall ist. Wenn man keine oder nur wenige Ärztinnen oder Ärzte hat, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, hat man wenig von einer Fristenregelung. So kann man auch liberale Gesetzgebungen unterwandern.

STANDARD: Das Frauenvolksbegehren haben 481.906 Menschen unterschrieben. Darin wurde etwa auch Gratisverhütung gefordert – keine einzige der Forderungen wurde umgesetzt. Ärgert Sie das in Hinblick darauf, dass die Petition #Fairändern weiter im Parlament verhandelt wird, obwohl diese nur 60.625 Menschen unterschrieben haben?

Jäger: Ja. #Fairändern hat nur zehn Prozent der UnterzeichnerInnen des Frauenvolksbegehrens, "Abtreibungsverbot in Österreich" überhaupt nur ein Prozent. Trotz der fast halben Million Unterschriften des Frauenvolksbegehrens war es nicht möglich, dass sich die Parteien auch nur auf eine Forderung des Frauenvolksbegehrens einigen – und dann kommen solchen Petitionen mit sehr schwacher BürgerInnenbeteiligung und werden von der Regierung sehr ernst genommen. Das hängt natürlich damit zusammen, dass Regierungsmitglieder diese Petition unterschrieben haben, und damit, dass kein einziges Regierungsmitglied das Frauenvolksbegehren unterschrieben hat. Im Prinzip heißt das: Direkte Demokratie gibt es nur, wenn von der Regierungsbank Unterstützung für ein Anliegen kommt.

STANDARD: #Fairändern fordert Änderung bei den Spätabbrüchen aufgrund einer schweren Fehlbildung des Fötus. Behindertenverbände unterstützen zumindest diese Forderung. Ist das Bündnis #KeinenMillimeter mit Behindertenorganisationen im Gespräch?

Jäger: Die Debatte zu den Spätabbrüchen ist eine, der wir uns stellen müssen. Unser Bündnis muss noch stärker mit Behindertenverbänden und Menschen mit Behinderungen zusammenarbeiten, und wir sind gerade dabei, diese Kontakte herzustellen.

STANDARD: In Deutschland kann eine Frau derzeit einen Spätabbruch verlangen, wenn sie sich nicht imstande sieht, ein Kind mit Behinderungen großzuziehen. Was halten Sie von dieser Regelung?

Jäger: Die Frau muss sagen: Ich schaffe das nicht, mich belastet das psychisch zu sehr. In den letzten Wochen, seit wir mit #KeinenMillimeter aktiv sind, haben sich viele gemeldet, die gesagt haben: Ich will nicht, dass mein Kind so leiden muss. Sie haben nicht aus ihrer Perspektive gesprochen, sondern aus der des Kindes. Bei den 380 Spätabbrüchen pro Jahr, die wir in Österreich haben, geht es nicht um Trisomie 21. Es geht um nicht lebensfähige Kinder oder um ein Leben voller Operationen. Dass Frauen quasi ein Bekenntnis ablegen müssen, dass sie "zu schwach" für so etwas sind – das ist feministisch sehr bedenklich. Ich verstehe aber auch, warum der Österreichische Behindertenrat es nicht unterstützen kann, dass Spätabbrüche nur aufgrund "geistiger" und "körperlicher" Behinderung möglich sind. Es gibt derzeit keine gute Lösung. Es gibt aber die berechtigte Sorge, was passiert, wenn diese Indikation weggenommen wird und nur mehr aufgrund des "Nichtkönnens" der schwangeren Frau ein Spätabbruch möglich ist. Dann könnten konservative Kräfte sagen: Das ist doch kein medizinischer Grund, das reicht nicht aus. (Beate Hausbichler, 14.5.2019)