Die letzte TV-Übertragung der Victoria's-Secret-Show fand im Dezember 2018 statt. Hier, von links: Winnie Harlow, Gigi Hadid, Kendall Jenner und Alexina Graham. Die Show verzeichnete die niedrigsten Einschaltquoten ihrer Geschichte.

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Aus, Ende und vorbei ist es nun mit dem Auflauf der makellosen Modelkörper in Push-up-BHs und Engelsflügeln, zumindest im amerikanischen Fernsehen. Die alljährliche Dessousshow des Wäscheherstellers Victoria's Secret wird in Zukunft nicht mehr auf den US-Sendern ABC und CBS gezeigt. Diese Entscheidung signalisiert das Ende einer Ära. Die Sender hatten die Show seit 2001 abwechselnd in der Weihnachtszeit zur besten Sendezeit übertragen. Die Laufsteg-Inszenierung hatte das Unternehmen erfolgreich gemacht, sie war so etwas wie das Marketing-Herzstück des Wäscheherstellers.

Am Freitag habe Leslie Wexner, Gründer und CEO des Victoria's-Secret-Mutterkonzerns L Brands, mitgeteilt, dass das traditionelle Konzept der Show überdacht werden müsse, berichtete die "New York Times": "Mode ist ein Geschäft, das ständigem Wandel unterworfen ist. Wir müssen uns weiterentwickeln und wachsen. (...) Wir glauben nicht, dass das Fernsehen das richtige Format für die Zukunft ist." Auf welche Konzepte man stattdessen setzt, verriet der 81-Jährige nicht.

Die Entscheidung kommt wenig überraschend. Im vergangenen Dezember war die bereits im Vorfeld kritisierte Show zwar wie eh und je über die Bildschirme geflimmert, doch die Einschaltquoten (sowie der Aktienkurs von L Brands) stürzten auf ein Rekordtief – und das trotz aller Bemühungen um einen besseren Sendeplatz. Die Übertragung war sogar von einem Dienstag auf den Sonntag verschoben worden.

Abgehobene Engel

Zeit wurde es, dass Victoria's Secret auf den veränderten Medienkonsum und eine andere Erwartungshaltung der weiblichen Kundschaft reagiert. Die Show und ihre Übertragung waren eine Erfindung der 1990er- und der Nullerjahre, und so sah sie auch aus: Zuletzt wirkten die übersexualisierten "Engel" mit ihren Idealmaßen, die Bellas und Gigis und Josephines, nur mehr wie ein überkommenes Schönheitskonzept.

Der Zeitgeist verlangt nach anderen Marketingkonzepten. Konsumentinnen sind spätestens mit dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung kritischer geworden. Das macht nicht zuletzt der Erfolg von Unterwäschelabels wie Rihannas Fenty oder dem Hersteller Aerie klar. Diese Marken haben bewiesen: Es braucht keine Fernsehspektakel, um Unterwäsche zu verkaufen. Und es braucht keine Engel, die über den Durchschnittskörpern ihrer Kundschaft schweben. Die Konsumentinnen von heute stehen auf Nahbarkeit. Und wenn sie auf Social-Media-Plattformen wie Instagram abgeholt werden wollen, dann sicher nicht mit pinkem Chi-Chi, sondern von Frauen, die ihnen ähnlich sehen. (Anne Feldkamp, 14.5.2019)