Unter Zuhilfenahme von Kübel und Schwamm entsteht eine Teheraner Geisterstadt: Keyvan Sarreshteh bei der performativen Arbeit.

Foto: Saeid Janaati

Es fällt einem Europäer naturgemäß schwer, die Fortschritte zu würdigen, die der Wohnungsbau in der islamischen Republik Iran seit 1979 erzielt hat. Es gehört daher zu den vielen Vorzügen der Festwochen-Produktion Apart-ment, dem Zuschauer einen ungefähren Eindruck von den kommunalen Wohn- und Platzangeboten in Teheran zu vermitteln.

Ob Zufall oder nicht, Keyvan Sarreshtehs Theatersolo im Hamakom gleicht einem Vorschlag zur materiellen Abrüstung. Der hoch aufgeschossene Performer steht wie ein besonders geduldiger Gastgeber auf der kahlen Bühne. Mit nichts als einem Schwamm versehen, den er geduldig im Kübel befeuchtet, malt er nacheinander die Grundrisse aller acht Wohnungen auf den Boden, die er seit seiner Kindheit in Teheran bewohnt hat.

Kalligrafie der Flüchtigkeit

Weil die Feuchtigkeit im Nu verdampft, bekommt man es mit einer Kalligrafie der Flüchtigkeit zu tun. Je eindringlicher Sarreshteh die Positionen von Esstisch, Stockbett oder "Hockklosett" rekapituliert, desto gespenstischer muten die realen Lebensverhältnisse an. Man könnte von einem Palimpsest sprechen, der sukzessiven Übermalung eines Textes. Wobei die einzelnen Schichten vom Gedächtnis präsent gehalten werden.

Biografische Denkwürdigkeiten bleiben eher ausgeschlossen. Seine Anmerkungen verkündet Sarresteh, Jahrgang 1987, auf Farsi. Übertitel helfen dem Verständnis auf die Sprünge. Die geschichtliche Einordnung aber – die Einsicht, wie ein persischer Heranwachsender mit den eigenen Nöten (Haarausfall!) und mit der politischen Großwetterlage umzugehen versteht, sie bleibt Außenstehenden verborgen.

Nach 40 Minuten ist die Geisterstunde schon wieder vorüber. Keyvan Saarestehs kleine Teheraner Immobilienkunde besticht durch ihre radikale Einfachheit. Gleich nachher möchte man am liebsten den Prunkräumen von Schloss Schönbrunn einen Besuch abstatten, oder aber die Familie Putz im Möbelmarkt besuchen. (Ronald Pohl, 14.5.2019))