André Luiz de Oliveira erforscht Verwandtschaftsverhältnisse von Schnecken, Tintenfischen und Co.

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"Charles Darwins Idee, dass alle Arten miteinander verwandt sind, hat mich schon immer fasziniert", sagt André Luiz de Oliveira. Als Biologe und Bioinformatiker verfügt der 32-jährige Brasilianer inzwischen selbst über das wissenschaftliche Rüstzeug, um nach neuen Antworten auf eine der ganz großen Fragen der Biologie zu suchen.

"Warum sind verwandte Tiere oft so enorm unterschiedlich?" In seiner Dissertation am Department für Integrative Zoologie an der Uni Wien wollte er diesem Geheimnis auf die Spur kommen. Und zwar indem er die molekularen Grundlagen von Mollusken, also von Weichtieren wie Schnecken, Muscheln, Tintenfischen etc., untersuchte.

Warum sich der Jungforscher gerade für diesen Tierstamm entschied? "Weil Mollusken trotz ihrer Verwandtschaft so unterschiedliche Erscheinungsformen und Eigenschaften aufweisen", erläutert André Luiz de Oliveira. "So verfügen etwa Tintenfische über ein sehr komplexes Gehirn und kognitive Fähigkeiten, die sie von nahen Verwandten wie Muscheln oder Schnecken stark unterscheiden."

Was aber hat diesen Sprung in der Evolution ausgelöst? "Um darauf Antworten zu finden, habe ich Genome und Transkriptome – also in bestimmten Entwicklungsstadien aktive Gensequenzen – von Mollusken und anderen Tierstämmen untersucht."

Große Unterschiede

Was Luiz de Oliveira dabei herausfand, hat nicht nur ihn verblüfft: "Es zeigte sich, dass alle Mollusken über die mehr oder weniger gleichen Gene verfügen", so der Biologe. Und nicht nur das: Der Vergleich mit anderen Tierstämmen machte deutlich, dass auch diese sich genetisch kaum von den Weichtieren unterscheiden. Die großen Unterschiede der ungleichen Verwandten sind also nicht auf bestimmte Gene zurückzuführen. Was letztlich den Ausschlag für die unterschiedliche Entwicklung gab, ist nach wie vor ein Geheimnis.

"Mittlerweile haben wir in der Molekularbiologie aber immer mehr ausgeklügelte Tools, und vielleicht ist diese harte Nuss der Evolutionsbiologie damit in zehn, zwanzig Jahren zu knacken." Eine wichtige Erkenntnis aber lässt sich aus Luiz de Oliveiras Genom-Analysen ableiten: "Zentrale molekulare Komponenten von komplexen Nervensystemen sind deutlich früheren Ursprungs als bisher angenommen."

Seit fünf Jahren forscht der Brasilianer nun in Wien, und mittlerweile ist ihm die Stadt ans Herz gewachsen. Auch kulinarisch weiß er die Freuden der österreichischen Lebensweise zu schätzen: "All die Wiener Schnitzel und das gute Bier ..."

Als Stressreduktionsmaßnahme hat er auch noch das Brotbacken entdeckt – und so brachte er nach seinem ersten Österreichjahr einige Kilo mehr auf die Waage. "Danach bin ich aber ins Fitnessstudio gegangen und habe viel Tennis gespielt", lacht Luiz de Oliveira.

Und wie hält es der Gourmet und leidenschaftliche Hobbykoch mit seinen bevorzugten Untersuchungsobjekten, den klugen Kopffüßlern? "Wenn man einmal weiß, wie komplex diese Tiere sind, hat man auch mehr Respekt vor ihnen", meint er.

Gegrillten Oktopus wird er demnach nicht servieren. Wenn ihn trotzdem ein gewisser Gusto überfällt, geht er schon lieber ins kroatische Restaurant um die Ecke statt in die eigene Küche. (Doris Griesser, 19.5.2019)