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Einer der vielen US-Bomber in der Region.

Foto: Reuters

Washington/Teheran – Vor dem Hintergrund der Spannungen mit dem Iran haben die USA den Abzug eines Großteils ihrer Diplomaten aus dem Irak angeordnet. Das US-Außenministerium verwies zur Begründung am Mittwoch auf die Bedrohung durch "USA-feindliche konfessionelle Milizen" im Irak.

Die US-Regierung hat in den vergangenen Wochen den Druck auf Teheran massiv erhöht. Anfang Mai entsandte sie einen Flugzeugträger und eine Bomberstaffel in die Region unter Verweis auf eine "unmittelbare" Bedrohung durch den Iran und verbündete Kräfte, später folgten ein weiteres Kriegsschiff und ein Flugabwehrraketensystem. Zwar betonen beide Seiten, keinen Krieg zu wollen. Doch besteht die Sorge, dass in der angespannten Situation ein Zwischenfall eine unkontrollierte Eskalation auslöst. Ein hochrangiger iranischer Regierungsvertreter sagte am Mittwoch, die Führung in Teheran sei auf alle Szenarien vorbereitet, von "Konfrontation bis Diplomatie".

"Sehr konkrete" Gefahr

Das US-Außenministerium ordnete den Abzug aller nicht unbedingt benötigten Mitarbeiter der Botschaft in Bagdad und des Konsulats in Erbil an. Verschiedene Terror- und Rebellengruppen seien eine Gefahr für "US-Bürger und westliche Firmen", hieß es. Der Schritt erfolgt wenige Tage nach einem Besuch von US-Außenminister Miko Pompeo in Bagdad, bei dem er von einer "sehr konkreten" Gefahr iranischer Angriffe gesprochen hatte. Bei Treffen mit Präsident Barham Saleh und Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi betonte er die Notwendigkeit, den Schutz der US-Bürger im Land zu gewährleisten.

Die Anordnung für die Botschaftsmitarbeiter bezieht sich laut "New York Times" vor allem auf Vollzeit-Diplomaten, die vom Außenministerium in Washington in den Irak entsandt worden seien. Wann über ihre Rückkehr in den Irak entschieden wird, war zunächst unklar. Externe Mitarbeiter, die etwa für die Sicherheit oder Lebensmittelversorgung an den beiden Standorten zuständig sind, sollen den Angaben zufolge vorerst im Einsatz bleiben.

Schiitische Milizen

Pompeo war überraschend in den Irak gereist. Zuvor hatten US-Geheimdienste nach Informationen aus irakischen Sicherheitskreisen Hinweise erhalten, dass vom Iran unterstützte Schiitenmilizen Raketenwerfer in der Nähe von Stützpunkten in Stellung brachten, auf denen amerikanische Truppen untergebracht sind. Pompeo habe die irakische Generalität aufgefordert, die Milizen unter Kontrolle zu halten. Andernfalls würden die USA mit Waffengewalt reagieren. Die militärisch schlagkräftigen Schiitenmilizen hatten maßgeblich zum Sieg über den IS im Irak beigetragen. Sie weiten ihren Einfluss in dem Land aus und sind dort inzwischen Teil der Sicherheitskräfte, operieren aber recht eigenständig.

Der irakische Ministerpräsident Mahdi sagte am Dienstag, sein Land habe keine Bewegungen beobachtet, die eine Bedrohung irgendeiner Seite darstellten. "Wir haben den Amerikanern gegenüber deutlich gemacht, dass die Regierung ihre Pflicht erfüllt, alle Beteiligten zu schützen." Sprecher zweier Schiitenmilizen erklärten, sie hätten keine Pläne, US-Truppen anzugreifen. "Die amerikanischen Behauptungen sind grundlos. Sie erinnern an die große Lüge der Massenvernichtungswaffen im Irak", sagte Laith al-Athari von der Gruppe Asaib Ahl al-Haq. Die USA hatten 2003 Massenvernichtungswaffen als Begründung für den Einmarsch im Irak genannt. Die USA haben derzeit etwa 5.200 Soldaten im Irak. Die Hashd-al-Shaabi-Milizen (Volksmobilisierungseinheiten/PMF), als deren Teil sich die meisten Schiitenmilizen verstehen, zählen etwa 150.000 Mann.

Sabotage

Das US-Zentralkommando wies Äußerungen des britischen Generals Chris Ghika zurück, wonach es keine erhöhte Bedrohung durch proiranische Kräfte im Irak und Syrien gebe. Seine Äußerungen widersprächen Informationen der US-Geheimdienste über "glaubwürdige Bedrohungen", erklärte ein US-Sprecher. Ghika hatte versichert, es gebe keinerlei Änderung in der Haltung der proiranischen Hashd-al-Shaabi-Milizen.

Angeheizt worden war die Lage jüngst zudem durch Sabotageakte in der Golf-Region. Dabei wurde in Saudi-Arabien eine der wichtigsten Ölpipelines des Landes von mit Sprengstoff beladenen Drohnen angegriffen – mutmaßlich von jemenitischen Houthi-Rebellen. Diese werden vom Iran unterstützt. Am Wochenende waren aus den benachbarten Vereinigten Arabischen Emiraten zudem Sabotageakte an Öltankern gemeldet worden.

Atomabkommen

Hintergrund der verschärften Auseinandersetzung ist der monatelange Streit um das internationale Atomabkommen, mit dem der Iran am Bau von Atomwaffen gehindert werden sollte. Das mühsam ausgehandelte Abkommen von 2015 steht auf der Kippe, seit die USA es vor einem Jahr aufgekündigt hatten. Der Iran hatte daraufhin vor einer Woche erklärt, sich nun auch nicht mehr an einzelne Teile der Vereinbarung zu halten.

Am Mittwoch stoppte der Iran tatsächlich wie angekündigt die Erfüllung mehrerer Auflagen aus dem Atomabkommen. Der Schritt sei auf Anordnung des Nationalen Sicherheitsrates erfolgt, meldete die Nachrichtenagentur ISNA unter Berufung auf Kreise der iranischen Atombehörde. Nach der Vereinbarung aus dem Jahr 2015 darf der Iran lediglich bis zu 300 Kilogramm niedrig angereichertes Uran sowie bis zu 130 Tonnen schweres Wasser produzieren. Beide Beschränkungen erkenne das Land nun nicht mehr an, meldete ISNA. Schweres Wasser kann in Atomreaktoren als Moderator eingesetzt werden, der bei der Spaltungskettenreaktion hilft.

Mit diesen ersten Maßnahmen verstößt der Iran vermutlich noch nicht gegen das 2015 in Wien erzielte Atomabkommen. Sollten die verbliebenen Vertragspartner (China, Russland, Frankreich, Deutschland und Großbritannien) die Wirtschaft des Landes allerdings binnen 60 Tagen nicht vor den Auswirkungen der neuen US-Sanktionen schützen, hat die Führung in Teheran damit gedroht, Uran künftig wieder zu einem höheren Grad anzureichern. Nach dem Atomabkommen darf der Iran Uran nur auf bis zu 3,67 Prozent anreichern, während zum Bau von Atomwaffen eine Anreicherung auf 90 Prozent nötig ist. Vor der Vereinbarung hatte der Iran Uran auf 20 Prozent angereichert. Die in Wien ansässige Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) bescheinigte dem Land in den vergangenen Jahren stets, seine Auflagen aus dem Atomabkommen zu erfüllen.

Russland äußerte sich am Mittwoch besorgt über die Eskalation der Spannungen. Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow zeigte sich "betrübt" über das Vorgehen des Iran, machte dafür aber Provokationen der USA verantwortlich. Er bestritt, dass es bei einem Treffen Pompeos mit Präsident Wladimir Putin im südrussischen Sotschi am Dienstag "Zusicherungen" gegeben habe. Vielmehr verschärfe sich die Situation weiter. Pompeo hatte in Sotschi gesagt, die USA strebten "grundsätzlich keinen Krieg mit dem Iran" an. Auch Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei versicherte am Dienstagabend, es werde keinen Krieg mit den USA geben. Der Iran wolle keinen Krieg und auch die USA täten dies nicht, da dies nicht in ihrem Interesse wäre. Es gehe mehr um einen Test ihrer Entschlossenheit als um ein militärisches Kräftemessen, sagte Khamenei. (APA, dpa, 15.5.2019)