Silberweiß das Logo: Giorgio Moroder hatte bei seinem Konzert in Wien eine gute Zeit.

Foto: red bull

Heute wäre so eine Karriere wahrscheinlich gar nicht möglich. Seine berühmtesten Songs würden Entrüstung verursachen, das Artwork ebenso: Zeichnet sich hier eine Brustwarze ab? O.M.G.

Gut für ihn und für die Kunst, war das in den 1970ern noch kein Hindernis für Welterfolg. Giorgio Moroder begann damals Musikgeschichte zu schreiben. Da wandte sich der aus St. Ulrich in Gröden stammende Südtiroler den aufkommenden Synthesizern zu und wurde zu einem der Gründerväter moderner Tanzmusik. 1975 stöhnte sich Donna Summer durch eine Sammlung von Fake-Orgasmen, um dem 16-minütigen Love To Love You Baby sein so schlichtes wie überzeugendes Narrativ zu besorgen, zwei Jahre später fühlte sie unvergleichlich die Liebe (I Feel Love).

Oli und Pilotenbrille

Die beiden Songs sind am Dienstagabend zwei der (musikalischen) Höhepunkte beim Auftritt des heute 79-jährigen Produzenten im Wiener Gasometer. Moroder absolviert zurzeit eine Tour, deren Setlist sich wie ein Eintrag im Geschichtsbuch der Popmusik liest. Verantwortlich für die späten Freuden auf Publikumsseite waren Daft Punk. Die beiden französischen Produzenten holten Moroder vor einigen Jahren aus der Pension zurück auf die Bühnen, wo er heute vor drei Generationen Fans Perlen aus dem umfangreichen Katalog vorträgt.

Er erzählt kleine Anekdoten, pascht ein bisserl in die Hände, betreibt Imagepflege mit Oberlippenbart und Pilotenbrille, die als De-facto-Logo in realistischem Weißsilber immer wieder auf der Videowall im Bühnenhintergrund zu sehen sind. Das meiste aber besorgt seine 14-köpfige Band.

Gold und Sülze

Moroder steht im Zentrum des Geschehens und hat eine gute Zeit. Er wirkt wie ein James Last mit Laptop. Nicht immer, wenn er etwas ins Mikro singt, ist es im Saal zu hören, aber das Gros des Vortrags übernehmen ohnehin die Damen links von ihm – und Limahl. Gut, das war nicht wirklich der Limahl, sondern nur ein aus Holland kommender Nachbau, doch nachdem er The Never Ending Story gesungen hatte, festigte sich halt dieses Bild im Saal. Ja, auch das zart-sülzige Never Ending Story hat Moroder damals, 1984, als Soundtrack für den gleichnamigen Film zusammen mit Klaus Doldinger produziert. Das führte vor Augen, dass nicht alles, was zu Gold wurde, auch glänzt.

Aber gut, der Mann hat weit über 800 Produktionen überwacht. In seinen Münchner Musicland Studios nahmen in den 1970ern und 1980ern Künstler wie Iggy Pop auf, das Electric Light Orchestra, die Rolling Stones, Udo Jürgens, die Sparks, Led Zeppelin oder Falco. Und das ist nur die berühmte Spitze des Eisbergs.

"What a Feeling!"

Auf der Bühne zeigt sich, dass die im Original meist von forschen und treibenden Synthesizern geprägten Produktionen des Meisters in der Umsetzung mit einer Live-Band ein wenig hölzern klingen – vor allem zu Beginn. Der Stimmung tut das keinen Abbruch. Man ist gekommen, einer Legende Respekt zu erweisen. Nebenbei hört man sich durch ewige Songs wie Bad Girls und On The Radio (wieder Donna Summer), Cat People (mit der zugespielten Originalstimme von David Bowie) oder Flashdance ... What A Feeling. Allesamt mehr oder weniger im kollektiven Gedächtnis gespeicherte Songs, die Moroder mit zarten Gedächtnislücken und Namensschwäche während seiner Ansagen wie Kinder hegt und pflegt.

Moroder muss sich nicht mehr beweisen, der Auftritt war nicht perfekt, aber der Charme der Darbietung macht locker das wett, was der Faktor Mensch in diesen von Maschinen getriebenen Songs an Perfektion vermissen lässt. Außerdem gibt es ja wenig, das langweiliger ist als Perfektion. (Karl Fluch, 15.5.2019)