Mit der Gründung der Republik Österreich 1918 und den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung am 16. Februar 1919 ist zwar der gleichberechtigte politische Einschluss von Frauen als Bürgerinnen in die Sphäre des Staatlich-Politischen erreicht. Allerdings wird gleichzeitig schnell klar, dass es nicht nur um gleichberechtigte, sondern auch um gleiche Repräsentation geht. Man lernte, dass gleiche Rechte in vielerlei Hinsicht noch keine Geschlechtergerechtigkeit bedeuten. Auch war die Beteiligung von Frauen in der Politik keineswegs unumstritten, sondern stieß im Gegenteil auf viel Widerstand.

Voller Misstrauen sprach etwa 1919 der Vizebürgermeister von Innsbruck vor den ersten Wahlen nach der Einführung des Frauenwahlrechts von einem "Sprung ins Dunkle". Die Christlichsozialen (CSP) prophezeiten, dass nur die "Emanzipierten" wählen gehen und ihr Kreuz bei der Sozialdemokratie machen würden, und gleichzeitig fürchtete sich die Sozialdemokratie (SDAP) vor der katholischen Wählerinnenmasse auf dem Land.

Demonstration für das Frauen-Wahlrecht in Wien-Ottakring im Jahr 1913.
Foto: Kreisky-Archiv

Letzteres zu Recht: Die seit den Wahlen 1920 verwendeten verschiedenfärbigen Kuverts für Männer und Frauen zeigen, dass alle Wahlerfolge der Christlichsozialen in der Ersten Republik (auch in der Zweiten, bis hin zur Ära Kreisky) von den Frauenstimmen kamen.

Regionale und nationale Brüche

Die Partei dankte es ihnen allerdings nicht. Am deutlichsten sichtbar wurde dies im oberösterreichischen Landtag, wo es trotz absoluter Mehrheit in der gesamten Ersten Republik keine einzige christlichsoziale Abgeordnete gab. Im Gegensatz dazu stellte die Sozialdemokratie – entsprechend ihrem Bekenntnis zum Gleichheitsprinzip – auf allen politischen Ebenen zu jeder Zeit Mandatarinnen.

Teilnehmerinnen der Internationalen Frauenstimmrechtskonferenz beim Frühstück im Wiener Café Prückel.
Foto: Österreichs Illustrierte Zeitung, 22. Juni 1913

Einen Ausreißer bildete allerdings die Steiermark, wo bis 1930 mehr christlichsoziale Frauen als Sozialdemokratinnen im Landtag saßen. Übrigens mit einem Anteil von zehn Prozent – nach dem "Roten Wien" mit 15 Prozent die höchste Anzahl von weiblichen Abgeordneten in einem Landtag der Ersten Republik. Das sind Verhältnisse, die auf allen politischen Ebenen erst spät in der Zweiten Republik wieder erreicht werden sollten. Erst 1974 übertrafen die 14 Frauen im Nationalrat erstmals die zwölf weiblichen Abgeordneten von 1920 bis 1923.

Auch die Zerstörung der demokratischen Republik Österreich 1933/34 durch den Austrofaschismus stellte einen Bruch in der noch jungen Geschichte von weiblicher Mitbestimmung dar. Nicht nur hob der Austrofaschismus die bürgerlichen Freiheiten, sondern auch die verfassungsmäßige Gleichstellung der Geschlechter auf. Der nachfolgende Nationalsozialismus konstruierte die Rasse als Entscheidungsinstanz über Leben und Tod und verfolgte eine Rückkehr von Frauen ins Häusliche. Erst in den Nachkriegsjahren kam ihnen politisch wieder eine stärkere Rolle zu.

Eine Wählerin bei der Stimmabgabe im Zuge der ersten Wahl, an der Frauen teilnehmen konnten: am 16. Februar 1919.
Foto: Wiener Bilder, 23. Februar 1919

Wie aber auch die Folgejahrzehnte mit all ihren Fort- und Rückschritten in der politischen Mitbestimmung von Frauen zeigen – von männlichen Seilschaften, Frauenbewegungen, Frauenquoten bis hin zu Frauenpolitik –, gibt es keineswegs eine Kontinuität an 100 Jahren Frauenwahlrecht zu feiern. Vielmehr ist das Thema bis heute von Brüchen geprägt.

Titelblatt der Illustrierten "Kronen Zeitung" anlässlich der ersten Wahl ohne Unterschied des Geschlechts am 16. Februar 1919.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

"Sie meinen es politisch"

"Sie meinen es politisch!" heißt ein neuer Sammelband zum 100. Jubiläum des 1918 eingeführten Wahlrechts für Frauen in Österreich. Der zitierte Ausruf von Karl Kraus thematisiert die damals unverstandene "Ungeheuerlichkeit", dass Frauen das Wahlrecht als ihr Recht einforderten. Der gleichlautende Band, herausgegeben vom interdisziplinären Kollektiv "Blaustrumpf Ahoi!" mit Forscherinnen der Universität Wien, widmet sich weiblicher politischer Partizipation von 1848 bis heute. Gefördert wurde das Buch sowie die zugehörige Ausstellung im Volkskundemuseum Wien vom Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW). (Gabriella Hauch, 17.5.2019)