Eine Performance, die auch eine Oper ist: "Penelope Sleeps" mit der englischen Sopranistin Angela Hicks (im Hintergrund: Mette Edvardsen).

Foto: Werner Strouven

Kann das gut gehen, wenn eine Choreografin eine Oper erarbeitet, die als intimes Erlebnis gedacht ist? Die Norwegerin Mette Edvardsen beweist: Ja, es kann. Auch wenn, was sie jüngst im Brüsseler Kaaitheater unter dem Titel Penelope Sleeps zur Uraufführung gebracht hat, nicht gerade als lupenreine Oper durchgeht. Festwochen-Premiere ist morgen, Freitag, in der Halle G im Museumsquartier.

Da hat Edvardsen übrigens zeitgleich ein zweites Projekt laufen, das den poetische Titel Time has fallen asleep in the afternoon sunshine trägt. Wir erleben Menschen, die ganze Bücher auswendig gelernt haben, zum Beispiel Andrej Platonows Die Baugrube oder Seltsame Sterne starren zur Erde von Emine Sevgi Özdamar. Diese guten Gedächtnisse, darunter Emmilou Rößling, Andrea Maurer und David Helbich, setzen sich mit je einem Gast hin und lassen ihr Buch wortwörtlich aus sich strömen. Eine sehr erfolgreiche Arbeit, die 2010 begonnen wurde und schon bei der Sommerszene Salzburg zu erleben war.

Dass in beiden Titeln der Schlaf auftaucht, hat Edvardsen in einem Gespräch mit dem STANDARD zwar dem Zufall zugeschrieben, aber das ist möglicherweise ein Trick. Denn sowohl die wandelnden Bücher als auch die "Oper" versetzen ihre Zuschauer respektive -hörer gleichermaßen in aus Sprache gewobene Traumgebilde. Da tritt zum Beispiel Melvilles Figur Bartleby wunderbarerweise als Frau auf, und dort hält sich Penelope von der Bühne fern.

Drei Arten von Musikalität

Penelope Sleeps kommt zwar ohne den Auftritt von Odysseus’ Gemahlin aus, aber tief im Inneren der Geschichten, die sich durch diese Performance ziehen, wird sie doch spürbar. Der Zugriff auf die Figur der klassischen Mythologie, die sich als inhaltlicher roter Faden durch das Geschehen zieht, ist eine fabelhafte künstlerische Entscheidung. Lediglich einmal bricht ihr Name als Bezeichnung für einen Nachtclub hervor.

Für ihre "Oper" braucht Edvardsen nur den Musiker Matteo Fargion, der mit Harmonium und Synthesizer die Töne angibt, eine zeitgenössischen Arbeitsweisen aufgeschlossene Sopranistin wie die Britin Angela Hicks und drittens: eigene Texte, die Edvardsen selbst spricht oder von Hicks gesungen werden.

Die Repräsentation der Opern-Elemente Musik, Gesang und Text durch jeweils eine Person auf der Bühne sowie die drei Arten von Musikalität – Singstimme, gesprochenes Wort und Instrumente – sind Indizien dafür, dass hier dekonstruktiv vorgegangen wird.

Folgerichtig überträgt sich das Drama in dieser Performance nicht durch Schauspielerei, sondern allein durch die Worte. Diese enthüllen sehr klein erscheinende Alltags-Ernüchterungen. In denen fließt zwar kein Blut, aber sie zeigen umso deutlicher, welcher Wahnsinn aus Details und nebensächlichen Ereignissen sprechen kann. (Helmut Ploebst, 15.5.2019)