Es gibt die vier anerkannten ("kanonischen") Evangelien: Markus, Matthäus, Lukas und Johannes. Müssen wir nun ein fünftes, das "Evangelium nach Karoline", hinzufügen?

Die türkise Nebenspitzenkandidatin für die EU-Wahl, Karoline Edtstadler, hat auf die Forderung der Liste Jetzt, nämlich die Kreuze aus den Klassenzimmern zu entfernen, heftig reagiert: "Das Kreuz ist Symbol unseres europäischen, christlich-jüdischen Erbes und steht absolut nicht zur Diskussion!"

Ähm, das Kreuz als gemeinsames christlich-jüdisches Erbe? Die beiden Religionen haben schon einiges miteinander zu tun, aber die Evangelien sind da ziemlich eindeutig, falls es Frau Edtstadler entfallen sein sollte: Jesus wird vom römischen Statthalter auf Betreiben einer jüdischen Menge zum Kreuzestod verurteilt, und das war dann fast die nächsten 2000 Jahre ein Hauptmotiv für den christlichen Antisemitismus.

Die kritische Bibelwissenschaft geht heute davon aus, dass dies eine polemische Darstellung war, und etliche Päpste der jüngsten Zeit haben offiziell festgehalten, dass man keinesfalls das jüdische Volk an sich für den Tod Christi verantwortlich machen kann.

Aber das Kreuz als jüdisches Symbol – das ist einfach schimmerlos. Oder ein peinlicher Vereinnahmungsversuch, der – wie auf Twitter bereits von jüdischen Autoren gemutmaßt wird – erst so richtig läuft, seit es gegen die Muslime geht. (Hans Rauscher, 15.5.2019)