Wien – Chaos, Unklarheit, Platznot: Für viele Schwangere in Wien war die Anmeldung zur Geburt mit diesen Begriffen verbunden. Geschichten von Frauen, die nach Niederösterreich ausweichen mussten, machten die Runde. Die Patientenanwaltschaft machte immer wieder auf Probleme aufmerksam. Aber nicht nur Schwangere, auch das Krankenhauspersonal war unzufrieden.
Forderung nach mehr Hebammen
Ein auch von der Patientenanwaltschaft immer wieder genannter Grund sind zu geringe Kapazitäten. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Entbindungen in Wien kontinuierlich an – 2017 waren es 20.576 Geburten, zehn Jahre zuvor noch knapp 4.000 weniger.
Diese Baustelle kann nur durch mehr Plätze und Personal beendet werden. Patientenanwältin Sigrid Pilz will etwa mehr Hebammen in Spitälern und für die Nachbetreuung. 23 Kassenhebammen gibt es derzeit in Wien, eine Verdreifachung der Kapazitäten sei notwendig – denn Frauen sollen so schnell wie möglich aus Spitälern entlassen werden.
Keine Mehrfachanmeldungen mehr
Ein anderer Grund für breiten Unmut waren weitverbreitete Mehrfachanmeldungen. Dadurch wurden Betten blockiert, die schlussendlich aber leer blieben.
Hier hat die Stadt reagiert – seit Februar soll damit Schluss sein. Schwangere Frauen müssen sich seither online oder telefonisch bei einer zentralen Stelle anmelden. Unter Angabe des voraussichtlichen Geburtstermins kann dann jede Frau drei Wunschhäuser angeben. Ab der 22. Schwangerschaftswoche folgt die Info, welches Spital Platz hat.
Patientenanwaltschaft: Deutlich weniger Beschwerden
Neben den Häusern des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) sind auch die Ordensspitäler der Vinzenzgruppe beim neuen System mit an Bord. Schwangere können also zwischen dem Krankenhaus Nord, dem AKH, dem Krankenhaus Hietzing, der Rudolfstiftung, dem St.-Josef-Krankenhaus, SMZ Ost, SMZ Süd und dem Wilhelminenspital wählen.
Die Zufriedenheit ist da wie dort gegeben: Beim KAV lägen aktuell keine Beschwerden über das neue System vor – weder von Schwangeren noch von Mitarbeitern. Eine ausführliche Evaluierung gebe es aber erst Ende des Jahres.
Auch bei der Patientenanwaltschaft ist man zufrieden mit dem lange angekündigten neuen System. Es gebe "deutlich weniger" Beschwerden. Das sei vor einem Jahr noch ganz anders gewesen.
Späte Zusagen als Manko
Im St.-Josef-Krankenhaus (SJK) – es gehört zur Vinzenzgruppe – seien die Erfahrungen bislang ebenfalls gut, lässt eine Sprecherin wissen. Besonders positiv sei, dass Mehrfachanmeldungen wegfallen und die Planbarkeit der Ressourcen somit besser gelinge. "Sowohl was die Betten als auch das Personal betrifft."
Aus Gesprächen mit Schwangeren nehme man aber wahr, dass eine "gewisse Unsicherheit" vorherrsche, weil die Zuteilung erst nach der 22. Woche erfolgt.
Dadurch ist es zum Beispiel nicht möglich, vorgeburtliche Untersuchungen in der jeweiligen Wunschklinik durchzuführen. Wenige Spitäler bieten die Nackenfaltenmessung oder das Organscreening gratis an, wenn man einen Geburtsplatz hat. "Aus Sicht der Frauen, aber auch aus Sicht der Ärzte und Hebammen, ist eine frühere Zuteilung wünschenswert", schlägt man deswegen in dem Spital vor.
Weiterhin auch Direktvergabe
Trotz des neuen Systems werden weiterhin nicht alle Plätze zentral zugewiesen: Im SJK wird noch die Hälfte der Plätze direkt vergeben, etwa an Frauen mit Zusatzversicherung, einer Wahlhebamme sowie für Schwangere mit einem gewissen Risikopotenzial. Vom KAV heißt es, dass bei durchschnittlich 1.500 Geburten im Monat bis Anfang Mai 55 Prozent der vorhandenen Plätze über das neue System vergeben wurden.
Und wie gut stehen die Chancen, dass Schwangere im Wunschspital landen? Laut erster Zahlen gut: Wie im Testdurchlauf lag die Rate auch bei den ersten Zuteilungen bei etwa 90 Prozent für den ersten Wunsch.
Ein Bett garantiert
Und fest steht auch: Eine Frau mit Geburtssymptomen darf von keinem Krankenhaus abgewiesen werden, unabhängig davon, ob sie zur Geburt angemeldet ist oder nicht. Dennoch ziehe es der Großteil der Schwangeren vor, Gewissheit zu haben und sich um einen Platz zu kümmern, heißt es von den Spitälern. Zahlen, wie viele Frauen in Wien unangemeldet entbinden, gibt es nicht. Überhaupt nicht im Spital zu gebären ist auch keine populäre Option: In Österreich liegt die Hausgeburtenrate bei ein bis zwei Prozent. (Lara Hagen, 16.5.2019)