Sie sind wieder landauf, landab präsent: Plakate mit den Konterfeis der Kandidatinnen und Kandidaten für die EU-Wahl. Ob sie wirklich Wählerinnen und Wähler überzeugen, bezweifelt Werbeprofi Mariusz Jan Demner.

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ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas, reihenweise plakatiert.

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SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder, in einer Reihe mit der Listenzweiten Evelyn Regner plakatiert.

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Die FPÖ schickt nicht nur Spitzenkandidat Harald Vilimsky in die EU-Wahl, auch Parteichef Heinz-Christian Strache steht auf "für Österreich".

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Die Neos setzen drei Frauen in Szene: Spitzenkandidatin Claudia Gamon, Parteichefin Beate Meinl-Reisinger und Ex-Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss sind auf einem Plakat vereint.

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Die Grünen wollen mit Bundessprecher Werner Kogler und Sarah Wiener, bekannt vor allem als Köchin aus dem Fernsehen, aber auch Betreiberin einer biodynamischen Landwirtschaft in Brandenburg, in das EU-Parlament einziehen – und dann, so der Plan, wieder ins nationale Parlament in Wien.

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Die KPÖ kandidiert als "KPÖ plus – European Left" und schickt Katerina Anastasiou ins Rennen.

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Johannes Voggenhuber kennt das alles schon. Er war schon EU-Abgeordneter – für die Grünen. Jetzt seit zehn Jahren nicht mehr – möchte aber wieder dorthin, diesmal mit der Liste 1 Europa.

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Mariusz Jan Demner ist der Mann, dem das Kunststück gelungen ist, Anfang der 1990er-Jahre aus zwei Dritteln EU-Skeptikern in Österreich zwei Drittel EU-Befürworter zu machen. Die von ihm gegründete Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann hatte im Auftrag der damaligen rot-schwarzen Regierung unter Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) und Vizekanzler Erhard Busek (ÖVP) unter dem Slogan "Gemeinsam oder einsam?" eine Kommunikationsstrategie erarbeitet, die offenkundig funktionierte. 66,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler votierten bei der Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 12. Juni 1994 mit Ja – bei einer Wahlbeteiligung von 82,4 Prozent.

Gegen den EU-Beitritt haben damals die FPÖ unter Jörg Haider, die Grünen sowie verschiedene linke Gruppierungen agitiert. Letztlich ist Österreich rund fünf Jahre nach dem offiziellen Beitrittsantrag im Juli 1989 am 1. Jänner 1995 in die Gruppe der EU-Mitgliedsländer aufgenommen worden.

Jetzt geht es wieder darum, für Europa, also die EU-Wahl, zu mobilisieren. Unter anderem mit Plakaten im Großformat, auf Dreieckständern oder Litfaßsäulen. Darum bat DER STANDARD Mariusz Jan Demner um eine Analyse der aktuell plakatierten Bilder und Botschaften.

Das vernachlässigte Stiefkind der Politik

Sein erster Eindruck: "Warum sind EU-Wahlen so vernachlässigte Stiefkinder der Politik?" Das bezieht er sowohl auf den Mitteleinsatz als auch auf die "Professionalität und handwerkliche Qualität der Plakate. Wer überlegt sich, wen man ansprechen will? Breitenwirksam, emotional, bewegend sieht anders aus."

Die Fragen auf den Plakaten der Grünen etwa – "Wer braucht schon Klimaschutz / gesundes Essen / Frieden? Du?" – empfindet Demner als "kryptisch und so, dass so manche Wählerinnen – wenn überhaupt – andere Antworten assoziieren als beabsichtigt". Dass sie es dann auch noch schaffen, "den Namen ihrer attraktivsten Kandidatin zu verschweigen" – gemeint ist die aus dem Fernsehen bekannte Köchin Sarah Wiener -, hält der Agenturchef für einen "Scherz".

ÖVP und SPÖ haben sich für das "herkömmliche, ziemlich fantasielose Plakatieren der Köpfe" entschieden, meint Demner mit Blick auf die Dreieckständerparaden mit Othmar Karas und Karoline Edtstadler bzw. Andreas Schieder und Evelyn Regner: "Kaum Differenzierung, eher die Anmutung von Gemeinschaftswerbung." Vor allem bei der ÖVP wundere ihn das, denn da zeige Parteiobmann und Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Themen, die ihm wichtig sind, "strategisch und kommunikativ bessere Messages und nicht erst im letzten Moment Flagge".

Österreich-Fans und EU-Erklärer

Köpfe, nämlich jene von Spitzenkandidat Harald Vilimsky sowie Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian, zieren auch die FPÖ-Plakate, aber, so meint der Werbeprofi: "Klarer, aggressiver als die Mitbewerber." Aus "strategischer Sicht für FPÖ-Zwecke" seien die Plakate der Blauen "noch am professionellsten. Das Wort EU findet sich auf keinem Plakat, nur ,Österreich' – während andere auf dem begrenzten Spielfeld ,Plakat' versuchen, Leuten die EU zu erklären, die nichts erklärt haben wollen."

Abgesehen davon stecken die Freiheitlichen "offensichtlich sehr viel Geld hinein, um ihre EU-Wahlmuffel zu bewegen", sagt der Werber mit Blick auf die hohe Dichte an FPÖ-Plakaten.

Positiver ins Auge stechen Demner die Neos-Werbemittel: Spitzenkandidatin Claudia Gamon (ausbaufähiger Bekanntheitsgrad) verkörpere gemeinsam mit Parteichefin Beate Meinl-Reisinger und der Neos-Abgeordneten Irmgard Griss (als ehemalige Präsidentschaftskandidatin mit hohen Bekanntheitswerten) "noch am verständlichsten, dass es nicht bloß um innenpolitisches Kleingeld geht". Ein Sujet gibt etwa das Ziel "Vereinigte Staaten von Europa" aus.

Was wollen die eigentlich von mir?

Für die "KPÖplus – European Left" wirbt Spitzenkandidatin Katerina Anastasiou, selbst übrigens kein Parteimitglied der Kommunistischen Partei Österreich, um Stimmen. Und zwar mit Plakatsujets, die Demner so umschreibt: "Die KPÖ mischt sich spärlich, aber würdig unter die anderen: Mit Aussagen, von denen ein Wähler nur ahnen kann, was man eigentlich von ihm will." Ein Plakat verheißt etwa den Einsatz "Für ein solidarisches Europa. Jenseits von Kapitalismus und Neofaschismus".

Dass EU-Rückkehrer Johannes Voggenhuber nur mit Luftballons mit "1 Europa"-Aufdruck unterwegs ist, kommentiert Demner lakonisch: "Er spart damit Geld für Plakate, die anderen in diesem Wahlkampf auch nichts bringen."

Erinnerung an die Vorteile durch die EU

Zur größten Herausforderung, nämlich die Menschen überhaupt dazu zu bringen, zur EU-Wahl zu gehen – 2014 taten das nur 45,4 Prozent der Wahlberechtigten – meint Demner: "Es wäre nicht so schwierig, die Österreicher für die EU-Wahl zu interessieren. Man müsste sie nur an persönliche Vorteile, die alle durch die EU haben, erinnern."

Dass sich die früher oft selbst so bezeichnete "Europapartei" ÖVP dabei "wenig exponieren will", erklärt Agenturchef Demner damit, "dass Europa in der DNA dieser ÖVP-FPÖ-Regierung kein konfliktfreies Thema ist". Umso mehr läge es an der Opposition, "die hohen Zustimmungswerte, die es 1994 für die EU gab, wieder zu aktivieren".

Das aber hat Mariusz Jan Demner schon damals in sein Konzept geschrieben; "Werbung kann nicht die Arbeit der Politiker ersetzen!" (Lisa Nimmervoll, 17.5.2019)