Ein Schüttbild mit Malhemd von 1989. Zu jener Zeit begann Nitsch, neben der Farbe Rot auch Grün, Blau, Violett, Schwarz und Weiß zu nutzen.

Foto: Manfred Thumberger / Bildrecht Wien

Dieses Bodenschuettbild von 2009 ist Teil der "Kathedrale der Farben".

Foto: Bildrecht Wien, 2019

Ein Rinnbild Nitschs von 2005. Von den 100 gezeigten Werken stammen 27 aus der Sammlung Essl, die derzeit als Dauerleihgabe zum Bestand der Albertina gehört.

Foto: Sammlung Essl / Bildrecht, Wien, 2019

Ein Schüttbild, entstanden während Nitschs 45. Malaktion im Jahr 2002.

Foto: Sammlung Batliner / Bildrecht, Wien, 2019

Ein Bodenschüttbild von vielen, die 1995 entstanden. Nitsch kombinierte Blut und Ölfarbe. Später verzichtete er auf die Ölfarbe, weil er davon hervorgerufene gesundheitliche Beschwerden bemerkte.

Foto: Sammlung Essl / Bildrecht, Wien, 2019

Der Meister sitzt im Keller der Albertina mitten in seiner Ausstellung und legt letzte Hand an. Als er noch jung war, erzählt Hermann Nitsch, wollte er ein Manifest herausgeben, das alle Möglichkeiten der Aktionsmalerei grafisch festlegen sollte. Ähnlich wie Bachs Kunst der Fuge es für selbige tat. Wie viele Arten, Farbe auf die Leinwand aufzutragen, er kenne? Eine genaue Zahl weiß er nicht. Es wurde nichts aus dem Verzeichnis des Schüttens, Verschmierens, Rinnenlassens, Tropfens, Spritzens.

Insofern füllt Räume aus Farbe in der Albertina nun spät aber doch eine Lücke in Nitschs Schaffen. "Das ist eine Ausstellung, die das noch praktischer verwirklicht, als ich es damals wollte. Weil hier sieht man, wie ich alle Möglichkeiten durchprobiert habe." Ob er eine lieber mag als die anderen? "Das ist, wie wenn Sie Eltern fragen, welches Kind ihnen das liebste ist. Ich verschütte gern Farbe. Alles, was zu sehen ist, habe ich eigentlich gern gemacht."

Drei Stationen der Ausstellung werden mit Kompositionen des Malers unterlegt. Natürlich will er die Musik gern laut haben. Oder um es ihm angemessener zu sagen: "intensiv".

Intensität ist die Triebfeder von Nitschs Schaffen, das in der Albertina mit 100 Einzelbildern gewürdigt wird. Darunter sind einige Zyklen. Sie hängen an den Wänden so nahtlos nebeneinander wie in Nitschs Atelier, als er sie schuf. Von allen Seiten umgeben sie den Besucher.

Farbsatt und leuchtend

Rechts eine Handvoll Großformate aus dem Schwarzen Zyklus, geradeaus noch einmal so viele aus dem leuchtend gelben Auferstehungszyklus II, und am Boden liegen braunrote Schüttbilder gemalt mit Blut und Farbe. Hie und da hängt ein Malkittel dran und erinnert an katholisches Messgewand. Die Ausstellung will Nitschs Malerei nicht als Teil seiner Aktionen, sondern ganz als Malerei für sich stehen lassen. Zu Recht.

Die farbsatten Wände treffen den Besucher in dieser Dichte wie eine Wucht. Von Beklemmung führen sie bis hin zu höchster Freude. Ein Kathedrale der Farben genannter kleiner Raum leuchtet bunt wie eine Werbeannonce für ein Handy mit brillantem Farbdisplay. Nur den Rinnbildern nebenan fehlt es an der existenziellen Kraft, die man auch vor Nitschs mit den Händen gekneteten, dickflüssigen Schmierbildern spürt.

Die jüngsten Arbeiten in der Ausstellung stammen von 2018. Da feierte der Maler auch runden Geburtstag. Malt man mit 80 Jahren anders? Beim Wort "man" geht Nitsch dazwischen. Das Wort mag er nicht. "Dieses Allgemeine entspricht der Vermassung. Man macht das, man hat das zu tun, man hat 'Heil Hitler' sagen müssen ... Das 'man' lass ma weg!"

Politische "Ablasszettel"

Das ist konsequent, einer für die Massen war Nitsch wirklich nie. Besonders von rechts wurde er immer wieder angepatzt. Auf die Frage, wie es ihm mit der FPÖ in der Bundesregierung gehe, kontert er: "Das könnten Sie eigentlich selber beantworten." Er führt dann aber doch aus. An der Politik ärgert Nitsch generell, "dass sozial geredet wird, aber nichts geschieht. Es wird nur versucht, sich durch Redegebilde irgendwie freizukaufen. Wie mit Ablasszetteln."

Die Schau kommt gerade recht. Erst vorgestern verunglimpfte Innenminister Herbert Kickl den Maler. "Es gibt aber auch viele, die nichts mit den Werken von Hermann Nitsch anfangen können", setzte Kickl die aktuelle Kritik am in den oberösterreichischen Landeskulturbeirat berufenen Künstler Odin Wiesinger mit Anfeindungen gegen Nitsch gleich.

Wer etwas über Kunstfreiheit erfahren will, halte sich lieber an die opulente Nitsch-Schau. (Michael Wurmitzer, 17.5.2019)