Gottfried Küssel deutet an, er habe bisher unbekannte Informationen über Vizekanzler Heinz-Christian Strache.

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Wien – Der erst kürzlich aus der Haft entlassene Gottfried Küssel hat in einem Interview mit der deutschen Zeitschrift "N.S. Heute", die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als neonazistisch eingestuft wird, über den aktuellen Vizekanzler Heinz-Christian Strache gesprochen und dabei angedeutet, es gebe noch Informationen über den FPÖ-Chef, die er bisher nicht öffentlich gemacht habe. "Da gab es einige lustige Auftritte, über die will ich jetzt aber nicht reden, vielleicht brauchen wir das noch einmal", sagte er laut einer Meldung des DÖW, das aus "N.S. Heute" ("Nationaler Sozialismus Heute. Weltanschauung. Bewegung. Leben") zitiert. Strache habe "zwar nie unsere Blutgruppe gehabt", aber "im stillen Kämmerlein hat er den großen Nationalsozialisten gespielt", soll Küssel über die Tätigkeit Straches Ende der 1980er-Jahre in seinem Umfeld gesagt haben.

Das Büro des Vizekanzlers wollte zu den Ausführungen Küssels auf Anfrage des STANDARD am Donnerstagabend keinen Kommentar abgeben. Heinz-Christian Strache hat derartige Bezeichnungen aber stets zurückgewiesen. "Ich war nie ein Neonazi, und ich bin kein Neonazi", sagte er 2007 bei einer Pressekonferenz. Damals waren Fotos aufgetaucht, die Strache in seiner Jugend bei Wehrsportübungen im Wald zeigen. Über die Frage, ob man Strache als "ehemaligen Neonazi" bezeichnen darf, war erst kürzlich ein heftiger Streit ausgebrochen, nachdem in der Sendung "Willkommen Österreich" das Comedy-Duo Maschek in einem Satirebeitrag Straches Werdegang mit den Worten "vom Neonazi zum Sportminister, eine typisch österreichische Karriere" umschrieb. Strache teilte später mit, er plane keine Klage. Juristen sagten damals, der Vizekanzler hätte vor Gericht in dieser Frage vermutlich "schlechte Chancen" gehabt.

Strache habe auch für die "Ausländer Halt!"-Bewegung in den 1980er-Jahren an Wahlkampfveranstaltungen teilgenommen, sagt Küssel laut DÖW in dem Interview. Die Bewegung war in den 1980er-Jahren von einer Gruppe um den Holocaust-Leugner Gerd Honsik gegründet worden.

"Rückblickend ein Fehler"

Küssel, der einst Chef der neonazistischen Vereinigung "Volkstreue außerparlamentarische Opposition" (Vapo) war, erscheint auf dem Cover der Zeitschrift mit dem Zitat "Lass deinen Gedanken Taten folgen!", wobei "Taten" in Frakturschrift gesetzt ist. Abgebildet ist er dabei unter dem Balkon auf dem Wiener Heldenplatz, von dem aus Adolf Hitler 1938 den "Anschluss" Österreichs verkündet hatte. Er proklamierte dabei den "Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich".

Die Gründung der Vapo sei rückblickend betrachtet "ein Fehler" gewesen, so Küssel. Die Strukturen der Bewegung hätten sie für die Behörden erst greifbar gemacht. Die sogenannten "Wehrsportübungen" der Gruppe seien zwar "nur ein Spiel" gewesen, zugleich aber auch "definitiv mehr als ein Hobby".

In den Worten des Magazins nimmt er in dem Interview "zur aktuellen Lage in der Ostmark" Stellung. Neben den Ausführungen über Strache handelt es sich dabei vor allem um Angriffe auf das Verbotsgesetz, das Küssel als "völlig überzogen" bezeichnet. Allerdings bescheinigt er dem Gesetzeswerk durchaus Wirksamkeit in Sinne von dessen Intention. Dass es in Österreich keine "nationalistischen Demonstrationen, wie man sie mit entsprechenden Versammlungen in der BRD vergleichen könnte", gibt, liege "einzig und allein" am Verbotsgesetz.

"Innerer Reichsparteitag"

Schließlich kommt er noch auf seine eigene politische Sozialisation zu sprechen. Ihn selbst habe der Nationalsozialismus in jungen Jahren emotional erfasst, er spricht von einem "inneren Reichsparteitag". Allerdings habe sich seine Weltanschauung im Lauf der Zeit verändert. Sie fuße zwar "im historischen NS", habe sich aber weiterentwickelt. In den 1970er-Jahren war die "Aktion Neue Rechte", der er angehört habe, durchaus an gewalttätigen Aktionen beteiligt.

Zudem spricht Küssel auch über die FPÖ. Er selbst habe im Jahr 1980 für die Freiheitliche Partei in Reichenau an der Rax für einen Sitz im Gemeinderat kandidiert, sei mit dem ehemaligen FPÖ-Niederösterreich-Chef Harald Ofner gut bekannt gewesen. 1983 bis 1987 war Ofner in den rot-blauen Regierungen der SPÖ-Kanzler Fred Sinowatz und Franz Vranitzky Justizminister. Ein weltanschaulich überzeugter Anhänger der Partei sei er aber "in keiner Sekunde" gewesen.

Pilz fordert Aufklärung

Peter Pilz, Abgeordneter der Liste Jetzt, fordert Strache in einer Reaktion auf den Bericht auf: "Herr Vizekanzler, legen Sie offen, was Küssel gegen Sie in der Hand hat." Die FPÖ-Historikerkommission solle Straches Verstrickungen in die Neonazi-Szene überprüfen. Pilz kündigt auch parlamentarische Anfragen an Strache und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an.

Neos-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper fordert, dass die Staatsanwaltschaft Küssel unter Wahrheitspflicht einvernimmt: "Wie kann es sein, dass einer der berüchtigtsten Neonazis der Republik Druck auf den Vizekanzler der Republik ausüben kann? Strache ist gefordert hier für Klarheit zu sorgen, es geht schließlich um eines der höchsten Ämter in Österreich", wird die Abgeordnete in einer Aussendung zitiert. (red, 16.5.2019)