Könnte am Samstagabend beim Song Contest in Tel Aviv den Sieg erringen: der Italiener Mahmood.

Entspannt sitzt Mahmood auf seinem Sofa im Hotel, um zahlreichen Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Bei vielen Fragen spürt man, wie er genau überlegt, was und wie er formulieren soll. Man wäre viel mehr daran interessiert, was er nicht sagt. "In Italien geht alles, was ich sage viral, weißt du?" erzählt er mir dann fast entschuldigend (das ganze Interview ist im O-Ton im Merci, Chérie-Podcast anzuhören)

Kontroverse um den Sanremo Sieg

Kein Wunder, dass Mahmood vorsichtig geworden ist. Als er im Februar das traditionsreiche Festival di Sanremo in Italien gewann – die um fünf Jahre ältere "Mama" des Eurovision Song Contests – brach viel Kritik auf den 1992 als Alessandro Mahmoud in Mailand geborenen Sänger und Songwriter herein. Der italienische Innenminister empörte sich in den sozialen Medien, dass nicht der vom Publikum höher bewertete Ultimo gewann. Wirtschaftsminister Luigi Di Maio schimpfte über eine elitäre Jury. Tatsächlich gewann Mahmood dank der Jurys, die Zuschauer platzierten ihn auf den dritten Platz.

Die Debatte nach dem Sanremo-Festival, in Italien ein echter Straßenfeger und deutlich bedeutender als der Song Contest, wurde bald eine Frage von Identität, Herkunft und echtem "Italienertum". Mahmood hat eine sardische Mutter und einen ägyptischen Vater, den er aber nie kennenlernte. Sein Song Soldi handelt genau von dieser autobiografischen Geschichte. Er macht sich auf die Suche nach dem Vater und findet ihn. Dieser will aber lieber Geld (Soldi) von seinem Sohn statt Liebe. "Ich singe in Soldi ja nicht über Geld an sich, sondern wie Geld die Beziehungsmuster innerhalb der Familie verändert."

Performance beim Song Contest

Die meisten Zuschauer des Song Contests verstehen allerdings kein Italienisch, und wohl auch nicht die arabischen Textzeilen, eine Erinnerung an Worte des Vaters. Mahmood präsentiert den Song zornig, englischsprachige Einblendungen sollen die Botschaft auch allgemein verständlicher machen. Mahmood: "Der letzte Satz, den ich den Visuals einblende, Money can’t buy you love, erzählt worum es geht. Wir tun unser Bestes, unsere Botschaft zu zeigen, etwa mit der eingeblendeten Mutter, dem Vater und dem Kind. Ich hoffe, dass die Leute den Inhalt verstehen, Scheidung ist ja ein großes Thema. Für mich ist meine Performance mit den Tänzern authentisch. Ich hoffe, es gefällt."

In seinen Visuals steht auch der Satz "It hurts to be alive, when you lose your pride". Auf die Frage ob und wer ihm denn diesen Stolz einmal wegnehmen wollte, und ob darunter auch Politiker gewesen seien, kommt wieder der vorsichtige Mahmood zum Vorschein: "Nein niemand, nein. Die Politiker haben nach Sanremo nur Kommentare über ihren musikalischen Geschmack abgegeben. Also nein." Tatsächlich haben sich Mahmood und Salvini in einer TV-Show getroffen und Frieden nach den Sanremo-Verwerfungen geschlossen. Die Kontroverse schadete wohl beiden zu sehr, zumal sich Soldi wochenlang auf Platz eins der italienischen Charts festsetzen konnte und das Musikvideo bereits über 80 Millionen Klicks erreichen konnte:

MahmoodVEVO

Mahmood nenne er sich übrigens nicht, um seine ägyptische bzw. arabische Identität zu demonstrieren: "Ich nenne mich Mahmood, weil ich dem Namen die zusätzliche Bedeutung ‚My Mood‘ geben wollte."

Debütalbum

Vor kurzem erschien sein Debütalbum Gioventù bruciata, benannt nach dem italienischen Titel des Films "…denn Sie wissen nicht was sie tun". Seine Songs sind geprägt von autobiografischen Geschichten, Mahmood demonstriert sein musikalisches Talent mit dem Geschichtenerzählen. Wie nennt er selbst seinen musikalischen Stil? "Ich nenne es Morocco Pop. Denn ich mache einen Mix aus Musik, die ich selber höre: ägyptische, italienische, internationale Musik wie R&B und Pop."

Und so zieht sich das Nicht-definieren-Wollen durch sein Werk. Musik, die von allem etwas ist, eine Identität, die sich nicht bestimmen lassen will. Auch das Prinzip des Coming-out lehnt der Sänger und Songwriter in Interviews ab, denn dieses Konzept sei längst überholt. In seinen Songs erfährt man jedoch viel über das Gefühlsleben. Am Samstag gilt Mahmood als einer der Favoriten für den Sieg beim diesjährigen Eurovision Song Contest. (Marco Schreuder, 17. 5. 2019)