Wahlzeit ist Debattenzeit. Das gilt auch für den laufenden EU-Wahlkampf, vor allem das Fernsehen räumt den Konfrontationen der Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der Parteien viel Platz ein. Freilich geht es nicht um Diskussionen im herkömmlichen Sinn, keine/r der Teilnehmenden will das direkte Gegenüber überzeugen. Die Zielgruppe sitzt vor dem Fernseher und zusehends auch vor TVtheken und sonstigen Plattformen; ihr gelten die vorab entwickelten Botschaften.

Wer war der Duell-Sieger? Vielleicht ist das die falsche Frage.
Foto: orf.

Die Auseinandersetzungen interessieren: Im Vorfeld der Nationalratswahl 2017 bewegte sich die Reichweite der Einzelkonfrontationen im ORF zwischen einer halben und einer Million Zuseherinnen und Zuseher (noch ohne das angesprochene Onlinepublikum), ebenso erzielten die Privatsender sehr hohe Quoten. Die aktuellen Werte der Debatten zur EU-Wahl fallen niedriger aus. Aber wenn sich (wie am 8. Mai im ORF) knapp eine halbe Million Menschen die Zweierduelle ansehen, ist das bei einem komplexen Thema wie Europa schon beachtlich.

Lust am Duell

Natürlich wäre es naiv, das als rein sachliches Interesse zu interpretieren, es gibt auch die Lust am Duell. Vermeintliche Siegerinnen und Sieger sind von allen Seiten schnell ausgerufen, doch welchen Wert hat dieser Titel? Es geht letzten Endes um die Wahlentscheidung des Publikums (genauer der Wahlberechtigten im Publikum) – also müsste man fragen, ob jemand aufgrund einer Debatte nun eine Partei wählt, die er oder sie vorher nicht gewählt hätte. Ein ziemlich hoher Anspruch.

Weiters zeigt sich, dass nicht nur überzeugende Argumente oder brillante Rhetorik zählen, sondern auch die parteipolitisch gefärbte Brille des Publikums. Nur selten wird man Personen finden, die völlig unvoreingenommen zusehen. Realistischer ist wohl, dass man einen gewissen Pool an Vielleicht-schon- sowie Sicher-nicht-Parteien hat, wenn das eigene Wahlverhalten nicht ohnehin schon feststeht. Das wirkt sich darauf aus, wie die Diskussionsleistung bewertet wird.

Ein Beispiel dazu aus den Autnes-Daten zur Nationalratswahl 2013: Damals wurden Zuseherinnen und Zuseher unter anderem gefragt, welcher Spitzenkandidat denn die jeweilige TV-Konfrontation gewonnen habe. Analysiert wurden die Duelle zwischen Werner Faymann (SPÖ) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) sowie Michael Spindelegger (ÖVP) und Strache. Kreuzt man die Antworten mit der grundsätzlichen Wählbarkeit der Partei, ist das Bild klar: Wer eine Partei für (sehr) wählbar hält, sieht den "eigenen" Spitzenkandidaten deutlich häufiger siegen.

Mobilisierung denkbar

Das heißt nicht, dass die Debatten nicht auch Wählerstimmen bewegen können, gerade bei Parteien mit ähnlichen Wählerschichten. Auch eine gewisse Mobilisierung ist denkbar, wiewohl fraglich ist, ob potenzielle Nichtwählerinnen und Nichtwähler überhaupt die Zeit aufwenden, sich eine solche Sendung anzusehen.

Die Bedeutung der Diskussionen liegt aber insgesamt weniger in der Konfrontation an sich als in ihrer Rolle als Wahlkampfereignis, das den Kandidatinnen und Kandidaten große (mediale) Aufmerksamkeit sichert – von der Vor- über die Währenddessen- bis zur Nachberichterstattung, die ihrerseits viele Interpretationen anbieten. (Flooh Perlot, 20.5.2019)