Bild nicht mehr verfügbar.

Er führt nicht die größte Partei seines Landes, sondern die kleinste: Der Deutsche Martin Sonneborn kandidiert für die Satirepartei "Die Partei".

Foto: Reuters / Hannibal Hanschke

Warum Hürden überspringen, wenn man sie einfach abschaffen kann? Das dachte sich Martin Sonneborn, als er mit seiner Satirepartei "Die Partei" gegen die in Deutschland gültige Dreiprozenthürde bei EU-Wahlen klagte und recht bekam. 0,6 Prozent der Wähler beförderten den ehemaligen Chefredakteur des Satiremagazins Titanic schließlich als Abgeordneten ins Europaparlament. Dort sitzt er seit fünf Jahren, scheiterte voll und ganz mit all seinen Forderungen wie einem Amazon-freien Mittwoch oder einer Faulenquote und schrieb ein Buch darüber. Jetzt will er wiedergewählt werden. Wir fanden eine Lücke in seinem Terminkalender und klärten Grundsätzliches mit ihm. Zwei Begriffe, eine Antwort.

Politik oder Satire?

Satire. Quatsch, Politik. Nein, beides. Politik mit satirischen Mitteln, das ist am wirkungsvollsten. Die politischen Reden, die ich mit einem kleinen Witz versehen habe, wurden zum Teil über fünf Millionen Mal im Netz abgerufen. Die meiner ernsthaften Kollegen 35-mal. Wenn es gut lief. Der 183 Jahre alte EU-Abgeordnete Jo Leinen (SPD) hatte auch Reden mit null Abrufen.

Martin Sonneborn oder Beppe Grillo?

Objektiv gesehen? Sonneborn. Hat sich noch nicht verbogen, ist nicht verrückt, pöbelt selten, hat moralische Standpunkte und führt nicht die größte Partei seines Landes, sondern die kleinste: mit zwei Prozent in den aktuellen Umfragen.

Brüssel oder Straßburg?

Beides. Beim Herumfahren zwischen den Standorten des EU-Parlaments erhalte ich 53 Cent Spritgeld pro Kilometer, steuerfrei. Die Entscheidungen für die EU werden weder in Brüssel noch in Straßburg getroffen, sondern ganz normal in Berlin.

National- oder Europahymne?

Je nachdem.

Nico Semsrott

Kommissions- oder Parlamentspräsident?

Die wahre Macht in der EU hat der Rat. Die Machtverhältnisse zwischen Rat, Kommission und Parlament verschieben sich laufend, in jeder einzelnen Verhandlung. Nico Semsrott und ich treten in einer Art amerikanischem Wahlkampf als Kandidaten für beide Ämter an. Wir haben bei einer Pressekonferenz die Ämterverteilung live per Schere, Stein, Papier geregelt: Nico wird Kommissionspräsident und ich der neue Martin Schulz.

Merkel oder Macron?

Weder noch. Beide sind mitverantwortlich für die Umverteilung von unten nach oben, die wir EU-weit bemerken. Wussten Sie, dass laut Eurostat-Daten die Armutsquote in der EU seit 20 Jahren konstant zwischen 22 und 24 Prozent liegt?

Orbán oder Erdogan?

Beides Autokraten, die ich für ihre Form der illiberalen Demokratie sehr bewundere. So will ich später auch regieren!

Böhmermann oder "Baby-Hitler"?

Böhmermanns Bemerkungen über Ihren kurzen Kanzler sprachen mir aus der Seele. Die über diesen ungehobelten FPÖ-Kerl, dessen Name mir nicht einfällt, genauso.

Vereinigte Staaten oder Europa der Vaterländer?

Ein weiterer Zusammenschluss ist den meisten Menschen nicht zu verkaufen, wenn die EU nicht sozialer, friedlicher und umweltfreundlicher wird. Ich würde im Moment auf Konsolidierung setzen.

Martin Sonneborn

Ost- oder Süderweiterung?

Auf gar keinen Fall Erweiterung. Ich arbeite seit Jahren an einer Verkleinerung der EU, habe mit den Briten einen ersten Erfolg zu verzeichnen und will jetzt illiberalen Demokratien wie Polen, Österreich, Ungarn und korrupten Ländern wie Bulgarien und Rumänien die Tür zeigen. Dann kommen Irland und Luxemburg dran, Länder, in denen Konzerne wie Amazon oder Apple einen Steuersatz von unter einem Prozent haben. Das ist irre.

Brexit oder Grexit?

Schade um die Briten, ich bin gespannt, wie sich das Land entwickeln wird. Griechenland darf dagegen als Erfolgsfall in die EU-Geschichte eingehen. Selten ist ein Land unter der Führung demokratisch nicht legitimierter Gruppen wie Troika und EU-Gruppe derart filetiert und ausverkauft worden. Ich schäme mich unseres Finanzministers und jetzigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble. Er ist einer der wenigen Menschen, die mit einem Schweineherz leben.

Euro oder Cent?

Euro. Ist mehr. Und garantiert als EU-weite Währung ohne Abwertungsmöglichkeiten den deutschen Wohlstand in Europa.

Wählen oder nicht wählen?

Wählen. Wer nicht wählen und trotzdem wählen will, kann in Deutschland sein Kreuz bei der "Partei" machen. In Österreich auch bald, wenn das so weitergeht ... Zwinkersmiley! (Stefan Weiss, 18.5.2019)