Österreich wird von höflichen Menschen bewohnt. Sogar Polizisten wissen sich in jeder Situation zu benehmen. Ganze zwölf Minuten warteten sie etwa, bis Martin Sellner, Chef der rechtsextremen Identitären, seine Haustür öffnete. Zwar hörten sie zuvor Rumoren in der Wohnung, klopften "beharrlich" und "ersuchten verbal" um Öffnung der Tür – aber gewaltsam hineingehen, nein, so etwas tut man einfach nicht. Das soll uns einmal jemand nachmachen. Jene, die behaupten, bei Abschiebungen werde viel weniger um- und vorsichtig vorgegangen, sind nur Neider von Innenminister Herbert Kickl.

Was man in Österreich auch nicht tut: Als Rektor der FH Joanneum in Graz eine Bachelorarbeit ablehnen, die sich mit Rassentheorien beschäftigt. Denn, immerhin, die Arbeit war ja formal korrekt durchgeführt! Und so etwas wie Unruhe, Aufruhr, gar Diskussion – das brauchen wir gar nicht!

Viele Sumpfblüten

Diese beiden Vorfälle, über die DER STANDARD berichtet hat, sind nur zwei von vielen Sumpfblüten, die in diesem schönen Land derzeit an die Oberfläche drängen und auf ihr treiben. Ein paar einschlägige Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen:

Den bereits erwähnten Martin Sellner hat offenbar mehr mit dem Attentäter von Christchurch in Neuseeland verbunden als eine bloße Geldspende desselben. Zumindest hat man höflich, wenn nicht sogar freundlich, hin- und hergemailt.

Der Maler Manfred "Odin" Wiesinger, bekannt als Haus-und-Hof-Künstler der politischen Rechten, wird von der FPÖ in den Kulturbeirat des Landes Oberösterreich gesetzt. Wiesinger malt gerne Schlachtfelder, Soldaten mit Stahlhelm und säbelschwingende Burschenschafter. Gerne auch Motive aus der nordisch-germanischen Mythologie. Den Protest der Oppositionsparteien gegen sein Avancement bezeichnet der Maler als "rot-grüne Menschenjagd auf mich". Wiesinger, Lieblingsmaler von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), ist übrigens bei der schlagenden pennalen Burschenschaft Scardonia, die an diesem Wochenende ihren 55. Burschentag in Schärding begeht. Mit "Stadtplatzschoppen" und "Jahn-Ehrung" und Festkommers: Da ist mächtig was los im schönen Schärding.

Faschistisches "Ustascha"-Treffen in Kärnten

Apropos rechte Treffen: Auch der Süden Österreichs hat da einiges zu bieten, zum Beispiel das faschistische "Ustascha"-Treffen in Bleiburg in Kärnten, wo alljährlich bis zu 10.000 Menschen des faschistischen Ustascha-Regimes im Kroatien der 1940er-Jahre gedenken und einige von ihnen dabei ebenso regelmäßig am Verbotsgesetz entlangschrammen.

Dazwischen schwadroniert der Vizekanzler der Republik, Heinz-Christian Strache (FPÖ), über den drohenden "Bevölkerungsaustausch" und will wider alle diesbezüglichen Hinweise darin gar keinen rechten Kampfbegriff sehen. Währenddessen veröffentlicht die steirische Parteijugend der Blauen einen Cartoon, in dem eine "einheimische" Familie in grüner Tracht von finsteren Zuwanderern mit langer Nase, Bart und Buckel bedroht wird. Und Niederösterreichs Asyl-Landesrat Gottfried Waldhäusl schlägt Wellen bis nach Deutschland mit seinen zehn Geboten, die auch FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky aufgreift: Muslime sind nämlich nicht nett zu Hunden.

Alles sehr eigenartig, könnte man meinen. Aber keine Angst: Wir fallen nicht besonders auf. In Europa ist es gerade vielerorts ziemlich sumpfig. (Petra Stuiber, 17.5.2019)