Denkzettel könnten am 26. Mai wichtiger werden als die Zukunft Europas

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Linz – Man hat bei einer solchen Wahl ja nur eine Stimme. Aber man kann sich ja Verschiedenes wünschen, was als Folge der Wahl eintreten könnte.

Mit dieser Einleitung legte das Linzer Market-Institut im Laufe der vergangenen Woche – vor dem Bekanntwerden des Ibiza-Videos – 808 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten ein Set von 16 Statements vor. An der Spitze der Wunschliste wurde mit 82 Prozent gereiht, "dass es eine hohe Wahlbeteiligung gibt". Dass diese aber zustande kommen wird, bezweifelt Market-Institut-Leiter David Pfarrhofer: "Uns sagen zwar in einer anderen Fragestellung 65 Prozent, dass sie selbst sicher zur Wahl gehen würden, aber erfahrungsgemäß liegt die Wahlbeteiligung bei EU-Wahlen unter 50 Prozent. Interessant ist daher, wer tatsächlich motiviert ist, wählen zu gehen." Und da zeigten schon in der Vorwoche die Zahlen, dass die erklärten Anhänger der SPÖ mit 84 Prozent eine weit höhere Motivation haben als die Anhänger der Regierungsparteien mit (damals ) 64 Prozent.

Im Gespräch mit dem STANDARD betont Pfarrhofer, dass die Motivation der FPÖ-Wähler inzwischen gesunken sein dürfte, wie stark, könne man in der turbulenten innenpolitischen Situation nicht sagen.

Wenn aber beide bisherigen Regierungsparteien ein Mobilisierungsproblem haben, könnte sich das für die Opposition günstig auswirken. Einen sehr hohen Platz auf der Wunschliste der möglichen Wahlfolgen nimmt mit 42 Prozent der Wunsch ein, "dass die österreichischen Grünen wieder jemanden ins EU-Parlament schicken können".

Welcher Wahlausgang gewünscht wird

Dies ist also der weiteste Wählerkreis der Grünen – und der Wunsch ist deutlich stärker ausgeprägt als jener danach, dass die SPÖ bei der Wahl gewinnen möge oder dass die Sozialdemokraten im EU-Parlament stärkste Kraft würden – dies wünschen 31 beziehungsweise 30 Prozent, was nicht allzu weit vom hochgerechneten Ergebnis der Sonntagsfrage liegt.

In der Vorwoche – also vor den aktuellen Turbulenzen – traute Market der ÖVP bei der EU-Wahl 31 Prozent zu (bei einer Nationalratswahl wären es 33), der SPÖ 28 (bei einer Nationalratswahl 27), der FPÖ 22 (Nationalratswahl: 24), den Grünen und den Neos jeweils acht, und 1 Europa zwei.

Pfarrhofer verwies schon letzte Woche darauf, dass die Hochrechnung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist, weil eben nicht abschätzbar ist, wie stark es den einzelnen Gruppen gelingt, ihre potenziellen Wähler zur Stimmabgabe zu motivieren. Für die FPÖ könnte es – allen "Jetzt erst recht"-Parolen zum Trotz – besonders schwer werden.

Einen möglichen Ansatz bietet wiederum die Frage nach den Wahlmotiven. Sie lautete: "Wird diese Wahl in Österreich eher eine Wahl, bei der mit der österreichischen Innenpolitik abgerechnet wird, oder wird dies eher eine Wahl, bei der es um die Gestaltung der Zukunft Europas geht?" Darauf betonten nur 51 Prozent die europäische Komponente, 34 Prozent sagten, dass mit der Innenpolitik abgerechnet würde. (15 Prozent: weiß nicht, keine Angabe.)

Es waren schon in der Vorwoch vor allem SPÖ- und Grünen-Anhänger, die die innenpolitischen Motive in den Vordergrund stellen. Und etliche wollen einen "Denkzettel" erteilen. 33 Prozent der Wahlberechtigten (aber 49 Prozent der SPÖ-Anhänger) wollen der Regierung in Wien einen Denkzettel verpassen, 39 Prozent (hier vorwiegend die FPÖ-Gefolgschaft) wollen einen Denkzettel für die EU-Kommission. Und beinahe jeder zweite Freiheitliche und jeder fünfte ÖVP-Wähler wünscht einen Denkzettel für Othmar Karas. (Conrad Seidl, 18.5.2019)