Auch der bisherige geschäftsführende Klubobmann Johann Gudenus trat infolge der Video-Affäre am Samstag von all seinen politischen Ämtern zurück.

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Offiziell hat man sich in der Wiener Stadtregierung noch keine Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen die FPÖ-Video-Affäre auf die Wien-Wahl im kommenden Jahr haben könnte. Inoffiziell haben die Strategen der Wiener SPÖ rund um Bürgermeister Michael Ludwig seit gestern Abend alle Möglichkeiten durchgespielt.

Das Ergebnis lautet nach STANDARD-Informationen, zusammengefasst: Es gebe keinen Grund für vorzeitige Neuwahlen, es gelte das Diktum des Bürgermeisters vor dem Skandal rund um die FPÖ: Wien hat eine stabile Regierung mit den Grünen, der Koalitionspakt wird bis zu den Wahlen im Herbst 2020 plangemäß erfüllt.

Wien als stabiler Faktor

Dies mag auf den ersten Blick überraschen, es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass mit Johann Gudenus die Spitze der sonst so starken Wiener FPÖ auf dem Boden liegt. Dazu kommt, dass interne Umfragen Michael Ludwig sehr gute Werte attestieren. Aus rein wahltaktischen und machtpolitischen Gründen wären vorzeitige Neuwahlen auch in Wien daher naheliegend. Allein: Diese ließen sich nicht nachvollziehbar begründen, schließlich hat die SPÖ in Wien, anders als im Burgenland, ganz offiziell keine Berührungspunkte mit den Landes-Blauen – auch wenn der Umgang mit ihnen die Wiener SPÖ in den letzten Regierungsmonaten von Ludwigs Vorgänger Michael Häupl zutiefst gespalten hat

Michael Ludwig trat von Beginn an als Verbinder dieser beiden Lager auf, doch die Frontstellung zwischen dem Bund und Wien, die sich etwa durch die türkis-blaue Reform der Mindestsicherung ergab, kam Ludwig diesbezüglich nie in Verlegenheit. Aus der Umgebung des Bürgermeisters heißt es nun, man werde den Unterschied zwischen Wien und dem Bund noch mehr betonen: Während die türkis-blaue Regierung im Bund nun im Chaos versunken sei, bleibe die rot-grüne Stadt- und Landesregierung, quasi das Gegenmodell zur Kurz-Strache-Koalition, ein stabiler Faktor der Verlässlichkeit.

In der FPÖ klärte man indes zumindest vorübergehend die Nachfolge an der Spitze der Wiener FPÖ: Die stellvertretende Obfrau Veronika Matiasek wird die Partei interimistisch führen, teilte Rathaus-Klubobmann Toni Mahdalik mit.

"Nationales und internationales Debakel"

Auch die Chefin der Wiener Grünen, Birgit Hebein, meldete sich am Samstag zu Wort: "Es handelt sich um ein nationales und internationales Debakel. Dafür trägt Bundeskanzler Sebastian Kurz, der die FPÖ trotz aller Warnungen in die Regierung und somit an die Macht und in öffentliche Positionen gebracht hat, die Verantwortung. Der Rücktritt von Vizekanzler Strache ist bei weitem nicht ausreichend, um diese Staatskrise abzuwenden. Es gibt nur eine Konsequenz: ein Rücktritt der gesamten Regierung Kurz-Strache und Neuwahlen!", sagt sie.

Krise erreicht auch das Burgenland

Die Regierungskrise im Bund wirkt sich auch auf die rot-blaue Zusammenarbeit im Burgenland aus. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sprach am Samstag in Eisenstadt von einer "schwierigen Situation", die die Koalition von SPÖ und FPÖ "natürlich mehr als belastet".

Am Montagvormittag soll der Koalitionsausschuss tagen, danach werde man die weiteren Schritte bekanntgeben. "Es sind nicht nur die Vorfälle in Ibiza, es ist aus meiner Sicht auch der Vorfall um Gottfried Küssel. Das sind Vorfälle und Dinge, die dürfen nicht passieren, die dürfen auch nicht akzeptiert werden und da können wir schon gar nicht zur Tagesordnung übergehen", stellte der Landeshauptmann fest. Am Vormittag gab es eine Sitzung des SPÖ-Parteipräsidiums. Dort sei vereinbart worden, "dass wir uns natürlich auch in der Koalition hinterfragen, dass wir aber unserem Koalitionspartner die Möglichkeit geben wollen, sich auch darzulegen."

Frühere Landeswahl?

Also eine Vorverlegung der Landtagswahl? Es sei "derzeit vieles denkbar. Wir werden das jetzt in Ruhe überlegen", sagt Doskozil. Landeshauptmannstellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ) sehe die Sache ähnlich. Er werde sich auch von den Vorfällen distanzieren, meinte Doskozil. "Aber natürlich ist ihm auch bewusst, dass das eine größere Dimension hat, dass das sicherlich nicht damit abgetan ist, dass jetzt der Vizekanzler zurücktritt."

Das Statement des inzwischen zurückgetretenen Vizekanzlers Strache habe ihn "tief bewegt", sagte Tschürtz. Er war wie Strache 2017 auf der Baleareninsel auf Urlaub. Von den Gesprächen will er nichts gewusst haben.

Wie es mit der rot-blauen Koalition im Burgenland weitergehe, hänge auch davon ab, ob es Neuwahlen im Bund gebe. "Da ist noch viel natürlich, das man bewerten muss." (APA, Petra Stuiber, Oona Kroisleitner, 18.5.2019)