"SZ"-Redakteur Oliver Das Gupta: "Im Fall von Strache und Gudenus handelt es sich um Führungspersonal einer Partei, die seit 2017 Österreich mitregiert hat. Wegen des übergeordneten öffentlichen Interesses haben sich 'SZ' und 'Spiegel' daher entschlossen, den Inhalt der Videos öffentlich zu machen, auch wenn sie heimlich aufgenommen wurden."

Foto: APA/SPIEGEL/SÜDDEUTSCHE ZEITUNG/HARALD SCHNEIDER

Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist nach der Veröffentlichung eines Videos zurückgetreten. In seiner Abschiedsrede sprach Strache von einer "b'soffenen Geschichte" seinerseits und "illegalen Methoden" der Medien und nicht näher definierten Geheimdiensten. Das Video wurde in einer Zusammenarbeit von "Süddeutscher Zeitung" und "Spiegel" sowie in Österreich mit dem "Falter" am Freitag publiziert. Im Interview erklärt "SZ"-Redakteur Oliver Das Gupta die Hintergründe zu dem brisanten Material.

STANDARD: Was wissen Sie über die Herkunft der Videos?

Das Gupta: Aus Gründen des Redaktionsgeheimnisses und des Quellenschutzes kann ich dazu wenig sagen. Die Aufnahmen wurden der Süddeutschen Zeitung und wenig später dem Spiegel zugespielt. Beide Medien haben daraufhin beschlossen, in diesem Fall zusammenzuarbeiten.

STANDARD: Wissen Sie, wer die vermeintliche reiche Russin oder ihr Begleiter sind?

Das Gupta: Aus Quellenschutz möchten wir dazu nichts sagen, wir bitten um Verständnis.

STANDARD: Wie sind Sie zum Videomaterial gekommen?

Das Gupta: Es wurde uns übergeben, am Ende waren es mehrere Datensticks.

STANDARD: Neben der "SZ" waren auch der "Spiegel" und in Österreich der "Falter" an der Veröffentlichung beteiligt. Wie lief hier die Zusammenarbeit?

Das Gupta: Ausgezeichnet, wir haben mit den Kolleginnen und Kollegen beider Medien hervorragend zusammengearbeitet.

STANDARD: Wie lange wurde recherchiert?

Das Gupta: Die Vorrecherche begannen die Kollegen Obermayer und Obermaier schon vor etlichen Monaten. Aber so richtig los ging es erst jetzt im Mai, als wir das Material erhalten haben.

STANDARD: Wie wurde die Echtheit der Videos überprüft?

Das Gupta: Entscheidende Passagen des Materials haben "SZ" und "Spiegel" dem Darmstädter Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie vorgelegt. Zudem haben wir einen zertifizierten Sachverständigen für Foto-Forensik, Foto-Anthropologie und digitale Forensik die Videos checken lassen. Das Ergebnis war klar: Es handelte sich tatsächlich um Strache und Gudenus. Der Gutachter urteilte, dass es sich "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um authentisches Material" handle.

Hinweise auf eine Manipulation der Aufnahmen fanden sich nicht. Die teilweise auf Russisch geführten Dialoge übersetzte eine beeidigte Dolmetscherin. Die wichtigsten Passagen hat dann noch einmal ein externer Anwalt auf Echtheit geprüft. Die durch die Prüfung entstanden Kosten sind übrigens durchaus stattlich– guter Journalismus hat eben seinen Preis.

STANDARD: Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann hatte dem Anschein nach schon vor der Veröffentlichung Einblick in die Videos. Wie kam er dazu?

Das Gupta: Dazu werden wir sicher nicht spekulieren.

STANDARD: Das Treffen war schon im Jahr 2017, warum werden die Videos erst jetzt öffentlich?

Das Gupta: Dazu können wir nichts mit Gewissheit sagen. Wir können nur sagen, dass es nicht an uns lag. Meine Kollegen Bastian Obermayer und Frederik Obermaier konnten das Video zwar zuvor schon einsehen, aber wir müssen so etwas natürlich auf Authentizität prüfen können. Sobald uns das Videomaterial vor einer guten Woche physisch übergeben wurde, haben wir sofort mit der Auswertung und der Überprüfung begonnen.

STANDARD: Könnte es sein, dass die Quelle die bevorstehenden Europawahlen beeinflussen wollte?

Das Gupta: Zur Motivation der Quelle möchte ich nicht spekulieren.

STANDARD: Die FPÖ will nun rechtlich prüfen, ob die Videos veröffentlicht hätten werden dürfen und deutet auch rechtliche Schritte an. Wie stehen Sie dazu?

Das Gupta: Da möchte ich umgekehrt fragen: Ist es nicht essenzielle Aufgabe der freien Presse, über fragwürdige Hinterzimmer-Deals von mächtigen Politikern zu berichten, wenn Sie Kenntnis davon bekommen hat? Ich meine: Ja! Im Fall von Strache und Gudenus handelt es sich um Führungspersonal einer Partei, die seit 2017 Österreich mitregiert hat. Wegen des übergeordneten öffentlichen Interesses haben sich "SZ" und "Spiegel" daher entschlossen, den Inhalt der Videos öffentlich zu machen, auch wenn sie heimlich aufgenommen wurden.

STANDARD: Die erste Reaktion von Strache war, dass es sich um eine "feucht-fröhliche" Geschichte gehandelt habe, auch in seiner Rücktrittsrede sprach er von einer "b'soffenen Geschichte". Wie sehen Sie das aus journalistischer Sicht?

Das Gupta: Getrunken wurde in der Tat viel. Strache wirkte auf mich allerdings zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt durch Alkohol. Außerdem hat er mit seinen brisanten Aussagen ja nicht erst spät in der Nacht begonnen. Ein Beispiel: Als der FPÖ-Chef das erste Mal abfällig über andere österreichische Politiker redete und über den mutmaßlich illegalen Handel mit russischen Diamanten, war noch helles Tageslicht zu sehen.

STANDARD: Strache tritt nun ab – wie beurteilen Sie das?

Das Gupta: Auch als Nummer Zwei der Koalition hat er es geschafft, mit seiner Ideologie den Kurs der Regierung zu prägen. Straches Karriere ist auf eine Art beachtlich, sein Sturz allerdings auch.

STANDARD: Das Videomaterial soll insgesamt rund sieben Stunden des Ibiza-Treffens dokumentieren. Was ist noch zu erwarten?

Das Gupta: Lassen Sie sich überraschen und lesen Sie weiter die Süddeutsche Zeitung. (Rainer Schüller, 18.5.2019)