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Duncan Laurence siegt beim 64. Song Contest. Der Niederländer überzeugte das Publikum mit der Ballade Arcade.

Foto: Reuters

Der Eurovision Song Contest in Tel Aviv ging mit einem erwarteten Sieg der Niederlande zu Ende. Seit 1975 musste das Land auf einen Sieg warten. Duncan Laurence, Sänger und Songwriter, überzeugte mit einem packenden und emotionalen Auftritt, der aber weitgehend auf Effekte und Inszenierung verzichtete. Sein Song Arcade sollte im Zentrum seines Auftritts stehen, wie er betonte. Dies überzeugte genug Jurys und Anrufer, um zu siegen.

In den Einzelwertungen gewann er jedoch nicht. Norwegen gewann das Televoting der Zuschauer mit gefälligem skandinavischen Reißbrettpop samt Joik-Gesang. Jurys waren aber nur wenig begeistert von Spirit in the Sky von KEiiNO. Die Jurys wiederum bevorzugten Schwedens Sänger und Songwriter John Lundvik mit Too Late For Love" Dass Lundvik jedoch kaum Televoting-Stimmen an sich reißen konnte, wurde vor Ort diskutiert. Wollten die Zuschauer einen erneuten schwedischen Erfolg verhindern? Spielten andere Faktoren eine Rolle, vielleicht sogar Rassismus, da schwarze Sänger immer unterdurchschnittlich bei Televotings abschneiden? Ein Gegenargument ist da freilich immer noch der estnische Sieg 2001.

Madonnas merkwürdiger Auftritt

Danke des Sponsorings eines Multimillionärs konnte Madonna beim diesjährigen Song Contest zwei Lieder darbieten. Bei den Fans war der Auftritt von Beginn an unbeliebt, denn dass einerseits die Karten zu exorbitanten Preisen angeboten wurden, und andererseits in eine ohnehin reiche Frau investiert wird, stieß bei vielen auf Ablehnung. Der Auftritt war nicht überzeugend.

Als die ersten schiefe Töne bei Like a Prayer zu vernehmen waren, war klar: Mit so einem Auftritt hätte sie sich niemals fürs Finale qualifiziert. Da wurden doch lieber die anderen Interval-Acts bejubelt, allem voran Conchita, Måns Zelmerlöw, Netta, Verka Serduchka, Gali Atari, Dana International, IIlanit und Eleni Foureira. Sie stellten jede Madonna deutlich in den Schatten und konnten allesamt besser singen.

Ukraine mit Siegeschancen?

Die große Unbekannte beim diesjährigen Song Contest bleibt das potenzielle Abschneiden der Ukrainerin Maruv. Sie gewann mit "Siren Song (Bang!)" den ukrainischen Vorentscheid. Die Sängerin Hanna Korsun, wie sie eigentlich heißt, wurde vom ukrainischen Sender UA:Perschyj gezwungen einen Vertrag zu unterzeichnen, der ihr unter anderem auch Konzerte in Russland untersagen würde (wo sie durchaus populär ist) und hohe Strafen bei unzähligen Punkten vorsah, sollte sie diese verletzen.

Bereits in der Vorausscheidung selbst wurde sie von der ukrainischen Jury nahezu einem Verhör unterzogen, als etwa die ESC-Siegerin von 2016, Jamala, sie vor laufenden Kameras ausfragte, ob Maruv die Krim eh als Teil der Ukraine ansähe. Maruv zog ihre Teilnahme am ESC daraufhin zurück, die Ukraine fragte die Zweit- und Drittplatzierten, aber niemand wollte sich noch durch eine Teilnahme beschädigen oder politisch instrumentalisieren lassen. Daraufhin zog die Ukraine ihre Teilnahme komplett zurück.

Siren Song (Bang!!) wäre aber wohl ein chancenreicher Song auf einen Top 10-Platz gewesen, allem voran wegen der aufsehenerregenden Performance (vor allem ab Minute 2’16"):

Hätte Chancen gehabt: Siren Song (Bang!!)
Телеканал СТБ

Dass nicht doch Jerusalem, sondern Tel Aviv Austragungsstätte des Song Contests 2019 wurde, entpuppte sich im Nachhinein als Glücksgriff für das ohnehin schwierige Image Israels. Mit Tel Aviv wurde die alternative, liberale, künstlerisch ambitionierte und LGBTIQ-freundliche Stadt ins Zentrum der Medienöffentlichkeit gestellt. Eine solche Kultur in einer Stadt des Nahen Ostens ist sonst tatsächlich selten zu finden.

Nicht zu übersehen war die Überforderung des öffentlich-rechtlichen Senders Kan. In Israel spielt der Sender kaum mehr eine Rolle, seit die israelische Regierung die Gebührenfinanzierung abschaffte und den alten Sender IBA schloss und den neu geschaffenen Sender steuerfinanzierte. Eine Idee, die auch manche Parteien in Österreich für den ORF haben. Israel ist ein gutes Beispiel dafür, dass dies eher eine fragwürdige Idee ist.

Niederlande 2020

2020 geht es in die Niederlande. Den Haag war bisher bereits zweimal Gastgeberstadt. Maastricht hat bereits Interesse bekundet Gastgeber sein zu wollen. Mit dem Ziggodome in Amsterdam oder dem Ahoy in Rotterdam hätte das zukünftige Gastgeberland hervorragende Hallen zu bieten. Sogar ein Spektakel in der Johan-Cruyff-Arena wird bereits diskutiert, da das Dach des Stadions verschließbar ist. Dass Ajax Amsterdam im Saisonfinale, traditionell ebenfalls im Mai, auf sein Stadion verzichten würde, gilt aber eher als unwahrscheinlich.

ORF: Interne Auswahl 2020

Pænda schnitt noch schlechter ab, als befürchtet. Sie wurde in ihrem zweiten Semifinale nur Vorletzte, wie die nach dem Finale veröffentlichten Ergebnisse verdeutlichten. So mutig die Entscheidung war eine künstlerisch anspruchsvolles Gesamtpaket nach Tel Aviv zu schicken, so wenig erfolgreich war der Song in einer Wettbewerbssituation. Dies muss nach dem Abschneiden in Tel Aviv konstatiert werden.

Dennoch will der ORF auch 2020 bei einer internen Auswahl bleiben, die Erfolge der vergangenen zwei Jahre rund um Nathan Trent und Cesár Sampson geben dem ORF durchaus recht. ein großer Vorteil der internen Auswahl ist, dass man Acts um Beiträge bitten kann, ohne dass sie öffentlich durch eine Show beschädigt werden könnten. Die Erinnerungen an 2012, 2013 und 2015, als Sieger eines Vorentscheids weit hinten landeten oder sich nicht qualifizierten, ist aufrecht. Der eigentliche Grund dürfte aber das Geld sein. Eine eigene Vorausscheidungsshow zu produzieren ist wesentlich teurer als die Song Contest-Teilnahme selbst. (Marco Schreuder, 19.5.2019)