Hier entlang zur nächsten Nationalratswahl: Für den ORF und andere Medien haben die Neuwahlen einige Auswirkungen.

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Was Neuwahlen Medien und ihren Machern bringen (können)

Wien – Der doch recht jähe Jobverlust in der Regierung kann andere Positionen sichern. Alexander Wrabetz zum Beispiel könnte das vorzeitige Koalitionsende von ÖVP und FPÖ eine komplette Funktionsperiode an der Spitze des ORF sichern. Das für heuer erwartete ORF-Gesetz hätte die Führung von Österreichs weitaus größtem Medienkonzern in die Hände eines Vorstands statt des bisherigen Alleingeschäftsführers gelegt.

Alexander Wrabetz hatte durchaus intakte Chancen, diesem Vorstand anzugehören, aber eben neben gleichgestellten anderen Vorständen. Zum Beispiel die dem bürgerlichen Lager zugeordneten Channelmanager Lisa Totzauer und Alexander Hofer oder TV-Finanzchef Roland Weissmann.

Die freiheitlichen Hoffnungen im ORF sind seit Freitagabend fürs Erste merklich gedämpft – mehr dazu unten.

GIS und ORF-Finanzen

Die Neuwahlen dürften auch andere Überlegungen für das neue ORF-Gesetz verzögern. Etwa das Thema Finanzierung: Die Freiheitlichen – Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, aber auch etwa der Infrastrukturminister und neue FPÖ-Chef Norbert Hofer – drängten massiv darauf, die Rundfunkgebühren abzuschaffen und den ORF künftig aus dem allgemeinen Bundesbudget zu finanzieren. Nicht nur ORF und Kommunikationswissenschafter warnten vor höherer politischer Abhängigkeit.

Sieben-Tage-Beschränkung

Wird das ORF-Gesetz vertagt, dann wohl mit ihm auch geplante Erleichterungen online, auf die der ORF seit langem drängt. Der ORF will TV-Inhalte länger als sieben Tage auf Abruf anbieten können und Videos auch eigens für das Web produzieren dürfen. Bisher geht das – wie bei der ZiB 100 – nur über Umwege.

Diese Beschränkungen betreffen auch den geplanten ORF-Player, eine Streamingplattform des ORF mit eigenen Kanälen etwa für Kinder, für Sport oder für Kultur/Wissenschaft/Religion mit User-Interaktionsmöglichkeiten und Foren. Auch dafür zieht das ORF-Gesetz bisher relativ strenge Grenzen.

Das neue ORF-Gesetz sollte dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch zielgruppengenaue Onlinewerbung erlauben. Das ist eine Bedingung für eine Vermarktungsgemeinschaft mit anderen Medien, auf die etwa Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) drängte.

Digitales Exil vertagt

Für eines der ORF-Radios – etwa Ö1 oder FM4 – könnte die Neuwahl ebenfalls eine Verschnaufpause bringen. Die Privatsender fordern seit langem, einen der ORF-Radiokanäle aus dem Ukw-Netz zu nehmen und ins Digitalradio DAB+ zu verlegen. Das würde einerseits Platz für weitere Privatradios via Ukw bedeuten und andererseits DAB+ mehr Zuspruch bringen, argumentieren sie. Politiker der Regierungsparteien klangen dem durchaus aufgeschlossen.

Werbekonjunktur

Wahljahre bringen vielen Medien zudem deutlich höhere Werbeeinnahmen. Nicht allein die Parteien investieren gemeinhin zusammen zweistellige Millionenbeträge – auch öffentliche Stellen buchen erfahrungsgemäß in Wahljahren noch ein Stück entschlossener als sonst. Und: Wahlkämpfe befeuern gemeinhin das Interesse des Publikums an Zeitungen, Onlineplattformen und Sendern – mit einer Menge weiterer Wahlkonfrontationen.

Was Neuwahlen Medien und ihre Macher kosten können

Der Chefredakteur persönlich kam am Freitag in die Zeit im Bild, um das gerade von Spiegel und Süddeutscher Zeitung veröffentlichte Ibiza-Video der FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus aus dem Jahr 2017 zu kommentieren.

Freiheitliche Karrieren

"Politisch ist das für Strache mehr als nur unangenehm", begann ORF-2-Chefredakteur Matthias Schrom vorsichtig und dachte dann doch gleich weiter: "Politisch ist das nur sehr schwer zu überleben, wenn man sich die jüngere politische Geschichte in Erinnerung ruft" – Schrom meinte das heimlich aufgenommene Video zweier britischer Journalisten im Gespräch mit dem damaligen EU-Abgeordneten Ernst Strasser. Aber, so Schrom noch am Freitagabend: "Zwangsläufig glaube ich nicht, dass diese Koalition am Ende sein muss."

Schrom ist einer jener Menschen, die mit dieser Koalition recht ruckartig und weit im ORF aufgestiegen sind: vom Innenpolitikredakteur der Zeit im Bild zum Chefredakteur von ORF 2, zuständig für die wichtigsten Infosendungen des ORF.

Damit Schrom Chefredakteur wurde, schaffte ORF-General Alexander Wrabetz 2018 den Job eines TV-Chefredakteurs – lange Fritz Dittlbacher – ab.

Schrom verantwortete als Chefredakteur aber auch nun die vielgelobte Berichterstattung des ORF über die Regierungskrise und den Kurz-Beschluss für Neuwahlen.

Kathrin Zierhut, lange Managerin in ORF-Töchtern, wurde gerade mit spürbarem freiheitlichem Rückenwind Personal- und Administrationschefin des gesamten ORF. Sie galt als praktisch gesetzt für ein Mandat im ORF-Vorstand, der Österreichs weitaus größten Medienkonzern, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nach dem für heuer geplanten ORF-Gesetz führen sollte.

Als Kandidat für den Vorstand wurde auch Thomas Prantner gehandelt, langjähriger Kontaktpfleger des ORF zu den Freiheitlichen. Prantner ist freilich gut vernetzt in viele politische Lager.

Ö1-Chef gesucht

Mit der Neuwahl dürfte sich das ORF-Gesetz jedenfalls verzögern, und damit ein Vorstand für den Rundfunk. Von der künftigen Regierungskonstellation werden auch einige weitere Karrieren und Mandate im ORF abhängen. Schon vor der Neuwahl, Ende Juni, steht etwa der Chef von Ö1 zur Neubesetzung an.

Die FPÖ ist derzeit im obersten ORF-Gremium Stiftungsrat dank Regierungsbeteiligung zweitstärkste Fraktion. In der Opposition hatte sie über viele Jahre nur ein Mandat – Norbert Steger, heute Chef des ORF-Stiftungsrats. Ein nach Wahlen neuer Nationalrat und eine Regierung können ihre Mandate im ORF-Stiftungsrat neu besetzen – sechs Sitze gehen laut aktuellem ORF-Gesetz an die im Nationalrat vertretenen Parteien, neun Sitze an die Regierung.

Bürgerlicher ORF-Stiftungsrat

Die ÖVP hat wenig Interesse, an der Struktur des ORF-Stiftungsrats etwas zu ändern: Zu ihren Partei- und Regierungsmandaten kommen sechs des ORF-Publikumsrats, wo der Bundeskanzler beziehungsweise Medienminister die Mehrheit bestimmt, und die Mandate der Bundesländer. Sechs der Länder-Sitze hat ebenfalls die Volkspartei. Damit kommt die ÖVP im wichtigsten ORF-Gremium derzeit knapp an eine Zweidrittelmehrheit heran.

Die FPÖ forderte mehrfach, die Mandate im Stiftungsrat möglichst allein nach dem Kräfteverhältnis im Nationalrat zu vergeben. So hätte sie auch in der Opposition mehr als einen Sitz. (fid, 20.5.2019)