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Ein Bild aus glücklicheren Tagen: Nicht-mehr-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer, wohl dessen Nachfolger.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Die FPÖ weiß um die Symbiose von Reaktion und Gegenreaktion, erklärt der Kulturwissenschafter Christoph Landerer im Gastkommentar, ihre Kritiker hingegen verstehen sie nicht. Zwei Beispiele aus jüngster Vergangenheit – als Warnung für die kommende Wahlauseinandersetzung – zeigen dies.

In gewisser Weise ist es paradox: Heinz-Christian Strache, über Jahre und Jahrzehnte ein Großmeister und ein Fallensteller der Empörung, ist selbst in einen Hinterhalt geraten, dessen Mediendynamik sich nicht auf die übliche Weise kontrollieren ließ. Doch wie funktionierte diese Mediendynamik eigentlich? Der Versuch einer Klärung greift weit zurück.

Zweideutige Botschaften

Vor einem Vierteljahrhundert, im Wahlkampf 1994, warb die FPÖ mit einem bemerkenswerten Plakat. Es zeigte Jörg Haider vor einem Hintergrund im Stil moderner Malerei, darunter prangte der Slogan: "Die Zukunft Österreichs ist unsere Kunst." Das Bemerkenswerte an der Kampagne war ihre frappante Zweideutigkeit. In Verbindung mit dem Bildhintergrund konnte der Slogan sowohl auf eine pointiert moderne (Politik als Moderne) als auch auf eine pointiert antimoderne Weise (Politik statt Moderne) gelesen werden. Die Zweideutigkeit der Botschaft war für Haider essenziell, denn er wollte einerseits eine möglichst große Zielgruppe ansprechen, sich aber andererseits auf nichts festlegen – ein hocheffizientes Verfahren zur Stimmenmaximierung, das allerdings auch den Keim des Scheiterns in der Regierung in sich trug.

Die Strache-FPÖ hat aus diesem Beispiel gelernt und den eigentlichen Machtbereich der Partei wieder auf den weltanschaulich homogenen Burschenschafterkern verengt. Aber sie hat Elemente der alten Strategie beibehalten, darunter jene antizipierte Symbiose von Reaktion und Gegenreaktion, die deshalb bis zuletzt funktionierte, weil sie von den Kritikern nicht wirklich verstanden wurde.

FPÖ spielt Erregungspingpong

Was ist damit gemeint? Anders als Haider, der die Partei nach außen und innen öffnete – freilich vor allem für Glücksritter, Opportunisten und die in Burschenschafterkreisen spöttisch so bezeichnete "ideologische Nullgruppe", der man die Regierungsgeschäfte anvertrauen konnte –, setzte Strache nicht auf ideologische Flexibilität. Die Stabilisierung als Mittelpartei gelang durch die gezielte Besetzung von Empörungsmaterien, die nach Mechanismen funktionierte, die Haider in den 1990er-Jahren erfunden hatte; sie lebte von der Dialektik von Empörung und Gegenempörung, die das Erregungsniveau der eigenen Anhängerschaft hochhielt und sie so für problematische Details des sachpolitischen Programms desensibilisierte.

Die Gleichung war einfach, und sie ging verlässlich auf: je unsachlicher die Empörung, desto unsachlicher die Gegenempörung und je unsachlicher die Gegenempörung, desto höher das Erregungslevel der Anhängerschaft. Geriet diese Anhängerschaft schließlich zum Kollateralschaden einer entgleisenden Auseinandersetzung, dann flüchtete sie sich nur umso entschlossener in eine Wagenburg, die man sich von den Kritikern errichten ließ. Das "rechtspopulistische Perpetuum mobile", das Ruth Wodak – durchaus treffend – ausgemacht hat, erhielt sich so durch das Gleichgewicht von Aktion und Reaktion; doch es bedurfte zweier Seiten, damit das Erregungspingpong in Gang kommen und aufrechterhalten werden konnte.

Die Schwäche der Kritik

Diese Maschinerie auf dem richtigen Level auszutarieren war keine ganz einfache Aufgabe; sie bedurfte einer souveränen Beherrschung jener Zweideutigkeiten, die bereits Haider erfunden und die die Strache-FPÖ perfektioniert hatte. Zwei Beispiele aus der Endphase der Strache-FPÖ können dabei als Illustration dienen: die "Hakennase" des Cartoons der freiheitlichen Jugend und das trotzige Beharren des Vizekanzlers auf dem Begriff "Bevölkerungsaustausch".

Lediglich NZZ-Kolumnist Rainer Stadler hatte es nach dem Schlagabtausch zwischen Harald Vilimsky und Armin Wolf gewagt, das Offenkundige auszusprechen: "Die Nebeneinanderstellung der Cartoons reicht nicht aus, um eine inhaltliche Verwandtschaft zwischen der FPÖ oder Teilen davon und den Nationalsozialisten zu dokumentieren." Die vorgebliche Hakennase war eben nur als Andeutung vorhanden, aber nicht klar als solche erkennbar. Damit der Cartoon auf die gewünschte Weise funktioniert und in die intendierte extreme Richtung offenbleibt, bedarf es eines gestalterischen Umfelds, das zu den gewünschten Assoziationen und Projektionen Anlass gibt. Doch die "Hakennase" selbst ist hier nicht das Problem, und die subtileren Details des freiheitlichen Kalküls wurden nicht thematisiert. Stattdessen entspannte sich eine Debatte auf jenem hochplakativen Level, das der FPÖ in die Hände spielte. Stadler hatte es klar erkannt: "Letztlich tat Wolf mit dem Nazi-Vergleich dem FPÖ-Generalsekretär einen Gefallen."

Beispiel "Bevölkerungsaustausch"

Ein analoges Kalkül verfolgte Strache mit dem ostentativen Beharren auf dem Ausdruck "Bevölkerungsaustausch", der eine auf höchstem Level emotionalisierte Debatte garantierte. Der Begriff ist für radikale Interpretationen offen, aber nicht eindeutig auf diese Interpretationen festgelegt, und genau dieser Umstand machte ihn für Strache produktiv. Anders als "Umvolkung" oder der bewusst vermiedene Begriff "großer Austausch" des Christchurch-Attentäters hat "Bevölkerungsaustausch" eine deskriptiv-neutrale Seite, die sich für viele FPÖ-Wähler in ihrem Wohnumfeld bestätigt: Die Anteile von A steigen, jene von B sinken, also werden Anteile von A gegen Anteile von B "ausgetauscht". Da der Begriff auch in ideologisch harmlosen Kontexten Verwendung findet – wer etwa die Berliner Debatte über Stadtentwicklung und demografischen Wandel verfolgt, wird die ganze Verwendungspalette finden, von Abwanderung bis Gentrifizierung -, ist die von den Kritikern angeprangerte Radikalität nicht klar erkennbar, und akademische Debatten interessieren hier nicht. Die Zweideutigkeit ist die Stärke dieser Strategie, das Bestehen auf Vereindeutigung die Schwäche der Kritik.

Notwendige Versachlichung

Der Rückblick auf Methoden der Strache-FPÖ ist nicht nur von historischem Interesse; er sollte vor allem als Warnung für die kommende Wahlauseinandersetzung dienen, eine Konfrontation nicht nach den Regeln der FPÖ zu suchen. Was wir stattdessen brauchen, ist schnell gesagt: eine planmäßige Verlagerung der Debatte hin zu Programmen und zur Sachauseinandersetzung, gekoppelt mit einem altmodischen Vertrauen in die Kraft des Arguments. Es wird nicht einfach werden, aber wir müssen es versuchen. (Christoph Landerer, 20.5.2019)