Viel gebaut wird derzeit im Sonnwendviertel beim Wiener Hauptbahnhof. Ganz in der Nähe, in der Gösserhalle, wählen die Delegierten zum Verbandstag der Gemeinnützigen am morgigen Dienstag einen neuen Obmann.

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Wenn der Verband der gemeinnützigen Bauvereinigungen diese Woche in Wien seinen alljährlichen Verbandstag abhält, steht ein seltenes Ereignis ins Haus: Es wird einen Obmannwechsel geben. Karl Wurm tritt nach 27 Jahren ab, sein Nachfolger wird Bernd Rießland, Vorstand der Sozialbau AG. Das lässt sich deshalb mit großer Sicherheit sagen, weil es keinen Gegenkandidaten geben wird. Und so wird Wurm die Staffel an seinen Fraktionskollegen vom "Verein für Wohnbauförderung" übergeben. Es ist die rote Fraktion.

Die Arge Eigenheim, der Zusammenschluss der ÖVP-nahen Genossenschaften, würde schon gerne auch den Obmann stellen wollen – allein, es reicht nicht. Den Chef bestimmt, wer die meisten Verwaltungseinheiten hat – das sind natürlich hauptsächlich Wohneinheiten, aber auch Geschäftsräume und Garagen. Und hier hat der "Verein" gegenüber der "Arge" schon lange die Nase vorn. Um wie viel es sich "reißt", wird nicht bekanntgegeben. Nach Angaben führender Vertreter der Arge Eigenheim ist man aber doch recht weit davon entfernt.

Rießland wird erst sechster Obmann seit 1945

Die "Schwarzen" stellen dafür den Aufsichtsratsvorsitzenden, das ist nun seit Jahrzehnten geübte Praxis. Viele Personalwechsel gab es bisher aber ohnehin nicht. Rießland wird erst der sechste Obmann seit 1945 sein, der aktuelle Aufsichtsratschef Michael Pech hatte in der Nachkriegszeit ebenfalls erst fünf Amtsvorgänger.

Ein stabiler Sektor also, könnte man sagen. Manche nennen es aber eben auch einen bestens eingeübten "rot-schwarzen Filz", den es aufzubrechen gelte. Das war etwa viele Jahre lang das Credo der FPÖ. Unter Jörg Haider und also auch noch in der ersten schwarz-blauen Koalition wurde "permanent von der FPÖ auf uns geschossen", erinnert sich Wurm.

Blaue mit "gesteigertem Interesse für Zusammenhänge"

Das hat sich nun aber geändert. Genau genommen habe dieser Wandel "vor rund zweieinhalb Jahren" eingesetzt, meint Wurm. Damals drohte das System von Christian Kerns "Plan A" bedroht zu werden. Kern wollte höhere Gewinnausschüttungen an Anteilseigner zulassen. Die damals noch oppositionellen Blauen waren die Ersten, die dagegen Sturm liefen – der Gemeinnützigen-Verband selbst verhielt sich da noch auffallend ruhig. Seit damals registriert Wurm bei der FPÖ jedenfalls "ein gesteigertes Interesse für die Zusammenhänge" im Wohnbau. "Die FPÖ begann, sich intensiv mit uns auseinanderzusetzen, was ich sehr begrüßt habe."

Das geht nun so weit, dass die gerade laufende Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) der türkis-blauen Bundesregierung für die Gemeinnützigen zahlreiche Verbesserungen und Erleichterungen bringt (sofern sie noch beschlossen wird – siehe unten). Und die FPÖ legt neuerdings auch Wert darauf, "Vertrauensmänner" im System unterzubringen. Das geht dort besonders gut, wo sie in Gebietskörperschaften an der Macht ist, die an Genossenschaften beteiligt sind. In Wels etwa, wo der frühere Büroleiter des oberösterreichischen Wohnbaulandesrats Manfred Haimbuchner, Jörg Teufelberger, im Vorstand der "Heimstätte" sitzt. Er soll demnächst als deklarierter "Blauer" in die Delegiertenversammlung der Gemeinnützigen (ein 53-köpfiges Gremium, das von den Landesgruppen beschickt wird) einziehen.

Dass die FPÖ den Sektor nun aufmischen wird, ist aber eher nicht zu erwarten. Die Blauen haben da nämlich auch noch an einem dunklen Kapitel ihrer Geschichte zu kiefeln: Die einzige dezidiert blaue Genossenschaft, die es bisher gab, ging vor 20 Jahren im Zuge der "Affäre Rosenstingl" pleite.

Kaufoption als einziger großer Streitpunkt

Ganz allgemein lasse das Lagerdenken nach, meint der frühere GBV-Aufsichtsratschef Klaus Lugger. "So auch im Wohnbau." Und richtige Kontroversen gebe es ohnehin nur bei einem Thema, wird von roter wie von schwarzer Seite bestätigt: der Kaufoption. Die (schwarze) Arge will sie ausgeweitet haben, der (rote) Verein sieht die Schaffung von Mietwohnungen als Hauptziel an.

Dass die Politik aus dem Sektor zurückgedrängt wird, lässt sich aber aktuell auch nicht sagen. Der frühere SPÖ-Minister Josef Ostermayer, wie Rießland im Vorstand der Sozialbau, ist Obmann der Wiener Landesgruppe der Gemeinnützigen. Und künftig wird sogar eine aktive Parlamentarierin im Verbandsvorstand sitzen: Die Arge hat die ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker, Aufsichtsratschefin bei der niederösterreichischen Genossenschaft Alpenland, nominiert. Beim SPÖ-nahen Verein stieß das zunächst nicht auf ungeteilte Zustimmung, daraus macht niemand ein Geheimnis. Dass man deswegen den bewährten rot-schwarzen Proporz aufs Spiel setzen wird, war aber auch nicht zu erwarten.

Bangen um WGG-Novelle

Seit der Ausrufung von Neuwahlen beschäftigt den gemeinnützigen Wohnbausektor nun aber auch noch die Frage, ob sich die weit fortgeschrittene Novellierung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) noch ausgehen wird. Der Entwurf wurde Mitte April vorgelegt, die Begutachtungsfrist endete kürzlich. Für 25. Juni ist eine Sitzung des parlamentarischen Bautenausschusses anberaumt, in der die Novelle beschlossen werden sollte, wenige Tage später dann auch im Plenum des Nationalrats. Dass es tatsächlich so kommen wird, ist nicht sicher. Möglicherweise wird der Nationalrat nämlich noch davor aufgelöst. (Martin Putschögl, 20.5.2019)