Pamela Rendi-Wagner, noch keine erfahrene Elfmeterschützin?

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Eine Regierungskrise, wie sie Türkis-Blau aktuell erlebt, ist für die größte Oppositionspartei eigentlich ein aufgelegter Elfmeter. Doch die SPÖ scheint derzeit kaum in der Lage zu sein, diesen erfolgreich zu verwerten.

Das liegt in erster Linie an Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Sie ist weder rhetorisch noch taktisch dem rauen politischen Alltag gewachsen und hätte mehr Zeit gebraucht, um sich als Spitzenpolitikerin zu entwickeln. Ihre öffentlichen Auftritte seit Bekanntwerden des Ibiza-Videos waren für viele enttäuschend, vor allem im direkten Vergleich mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

Keine klaren Antworten

Vor allem fehlt Rendi-Wagner eine klare Antwort auf die Frage, was die Partei jetzt will. Diese konnten ihre Berater über das gesamte Wochenende nicht formulieren.

Wie könnte die aussehen? Sie könnte Kanzler Sebastian Kurz einen fliegenden Koalitionswechsel anbieten, um mit einem neuen Regierungsprogramm den türkis-blauen Reformen die Giftzähne zu ziehen. Kurz hätte sicher abgelehnt, aber ein solches Angebot hätte ihn unter Druck gesetzt.

Stattdessen fordert sie zunächst beinhart eine Sondersitzung des Nationalrats, auf die sie dann eine Woche lang warten muss, und dann die Ablöse von Kurz sowie die Einsetzung einer reinen Expertenregierung – ein Szenario mit wenig Chancen auf Umsetzung. Denn die Staatskrise, die Rendi-Wagner beschwört, wird sonst nur von wenigen gesehen.

SPÖ schreckt vor Neuwahlen zurück

Rendi-Wagner lässt sich anmerken, dass die Aussicht auf Neuwahlen sie nicht freut. Das liegt nicht nur an den leeren Parteikassen. Die SPÖ hat ein tiefes strategisches Problem. Will sie zulegen, muss sie vor allem Wähler zurückgewinnen, die zur FPÖ abgewandert sind. Dazu braucht es eine komplexe Links-rechts-Mischung aus sozialen und migrationskritischen Standpunkten.

Dafür ist die urbane Akademikerin Rendi-Wagner die falsche Person. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil könnte das viel besser. Doch er würde linksliberale Funktionäre und Wählerschichten vergrämen. Und das Letzte, was die Partei jetzt braucht, ist eine Führungsdebatte – daher die rasche Kür Rendi-Wagners zur Spitzenkandidatin. Dass Doskozil dann allerdings die Landtagswahl im Burgenland zwar vorzieht, aber seine Partnerschaft mit der FPÖ demonstrativ bekräftigt, zeigt, wie wenig Loyalität er der Parteichefin entgegenbringt.

Die Gretchenfrage "Wie hältst du's mit der FPÖ?" bleibt in der SPÖ unbeantwortet. Bei einer so schwach aufgestellten Opposition können sich FPÖ und ÖVP noch viele Skandale und Entgleisungen leisten und dennoch mit Zuversicht den kommenden Wahlen entgegensehen. (Eric Frey, 20.5.2019)