Peng! Szene aus den bereits heute legendären "Ibiza-Tapes"

Gute fünf Minuten aus über dreihundert sind seit Freitagabend das offizielle Material von Ibiza-Gate: ein Kurzfilm, den die Redaktionen des Spiegel und der Süddeutschen Zeitung montiert haben. Sie gingen dabei nach einer klassischen Dramaturgie vor: eine Szene vor dem Haus (ein Establishing Shot); dann die Vorstellung der Beteiligten (die "Oligarchennichte" betritt einmal so den Raum, dass man eine Vorstellung davon bekommt, warum Strache ihr gefallen wollte; Strache bekommt einen unvorteilhaften Zwischenschnitt mit prominenter Wampe verpasst).

Dann die Stellen: das relevante Material, die Aussagen, die klar erkennen lassen, dass alle rhetorischen Bekenntnisse zu einer Einhaltung der Gesetze im Vergleich mit den politischen Größenfantasien nichts wert sind. Dazu gibt es ein kurzes, reflexives Bild: Jemand stellt die Beobachtungssituation her, platziert eine Kamera, stellt die Falle.

Von einer "präparierten Finca" sprach Strache zutreffenderweise in seiner Rücktrittserklärung. Aus dieser Finca gibt es nun mehr als sechs Stunden Material mit Aufnahmen aus einer Situation, die normalerweise dem Schutz der Privatsphäre unterliegt. Die Frage, ob es in diesem Fall auch Gründe geben könnte, die höher zu bewerten sind als der Schutz der Privatsphäre, beantworten die Bilder im Grunde selbst.

Stellungskriege

Die Süddeutsche Zeitung schrieb am Montag von "Genrekino" und meinte damit vermutlich, dass man sich an Spionageszenarien erinnert fühlen könnte, an klassisches Kompromat (kompromittierendes Material). Vielleicht löst sich die Angelegenheit tatsächlich in diese Richtung hin auf, es würde auch deswegen passen, weil Strache ja selbst – in nicht veröffentlichten Passagen – die österreichische Innenpolitik nebenbei als einen Stellungskrieg mit wechselseitig belastendem Material beschreibt.

Relevanter aber wäre die Angelegenheit, wenn es sich um eine ausdrücklich politische Intervention gegen eine Form von Politik handeln würde: um eine Durchbrechung des Arkanbereichs, den gerade die eben gescheiterte Koalition mit ihrer rigiden Messagekontrolle aufzurichten versuchte. Bei Politikern gibt es neben dem Öffentlichen und dem Privaten noch einen dritten Bereich, den das Strache-Video aufdeckt: den der tatsächlichen Absichten. Darauf zielte die Aufnahmesituation auf Ibiza.

Versuchsanordnung

Die präparierte Finca war für mehr präpariert als nur für schlechtes Reality-TV. Sie war ein Labor, in dem ein Experiment ablief: Eine Versuchsperson wurde einem Test unterzogen. Wie bei wissenschaftlichen Bildern oder bei Überwachungsbildern auch zählen deswegen vor allem die Stellen, an denen etwas passiert. Andere Dinge, von denen wir nichts wissen müssen, zählen nicht. Relevant sind die Stellen, an denen Strache als Politiker auffällig wird, weil er sich zu seinen Vorstellungen von Regierungsverantwortung äußert.

Ein Aspekt von Genrekino ist in den Bildern allerdings doch noch enthalten: Auf die Fingernägel des "scharfen" Lockvogels, die einmal deutlich ins Bild ragen, achten wir, weil wir wissen, dass Strache später auf die Zehennägel aufmerksam wurde. Das Mata-Hari-Motiv, das hier kurz aufblitzt, bricht sich aber in einer anderen Assoziation: Dort, wo in diesem Moment die Kamera steht, steht in vielen Wohnungen heute schon eine Frau, die es nicht gibt – Alexa, (bisher nur) das Ohr eines Konzerns, der Kompromat im Weltformat sammelt.

Ein klassisches Stück Genrekino aus der Gattung Spionagefilm, verpackt als schlechtes Reality-TV. Die bereits heute legendären "Ibiza-Tapes". (Bert Rebhandl, 21.5.2019)